Die Wochenendrebellen

In Frankreichs zweiter Liga sind die Fans auf den Barrikaden. Der Sender BeIN Sports hat fast alle Spiele unter die Woche gelegt. Es geht um mehr als nur Anstoßzeiten

Beim ­Zweitligaspiel zwischen Red Star Paris und Stade Lavalois sprechen sich die Fans für Spiele am Samstag und Sonntag aus Foto: imago

Von Alina Schwermer

An diesem Freitag werden sie beim katarischen Sender BeIN Sports wohl ausnahmsweise nicht über Frankreich seufzen. Denn in der Länderspielpause pausiert auch die widerspenstige zweite französische Liga der Männer. Seit Saisonbeginn sind die organisierten Fans dort auf den Barrikaden gegen BeIN. Der Sender klagt, sein Image werde „völlig beschmutzt“. Sie fahren Stimmungsboykotte, werfen Tennisbälle auf den Rasen, stören die Kameras mit Laserpointern oder verdecken die Sicht aufs Feld mit TV-Stäben und Transparenten. Und es sieht nicht aus, als ob sie so schnell klein beigeben werden.

Die Wut hat einen konkreten Anlass: Nachdem BeIN recht kurzfristig als einziger Interessent die Rechte an der zweiten Liga erworben hatte, ließ der Sender alle Ligaspiele auf Freitag oder Montag verlegen. Nur eines verblieb am Samstag. Der Aufschrei der Fans ließ nicht lange auf sich warten. Das Motto der Proteste: „Le foot c’est le weekend“ – „Fußball ist am Wochenende“. Der Konflikt zwischen globalem Kapital und lokalen Interessen zeigt sich im französischen Unterbau in fast schon grotesk zugespitzter Form.

Am 12. September hat BeIN Sports in einem Sondertreffen mit Funk­tio­nä­r:in­nen und Fan-Repräsentant:innen zugestanden, ein weiteres Spiel auf Samstag zu verlegen. Zu mehr ist der Sender nicht bereit. „Unser Katalog ist sehr umfangreich“, begründete Florent Houzot, Redaktionsleiter von BeIN Sports, und die Zahl der Kanäle sei begrenzt. In Katar und anderswo kann man sich zur Prime Time sicher Besseres vorstellen als die Ligue 2. „Falls die Klubs mehrheitlich dafür stimmen, einen großen Block der Spiele am Samstag auszutragen, wird das ohne BeIN Sports sein.“ Das wären 40 Millionen Euro weniger für die ohnehin finanziell angeschlagene Ligue 2 und wahrscheinlich ein weiterer Wertverfall der Rechte.

Vincent Mezence ist bei den Verhandlungen mit BeIN dabei gewesen. Er ist Fan des Zweitligisten Red Star Paris und Sprecher der Red Star Fans, einer der führenden Gruppen in der Protestbewegung. „Sie bezeichnen es als Kompromiss, aber für uns ist das nicht akzeptabel“, sagt er. Es sei enorm schwer für Fans, ihre Aktivitäten am Freitag oder Montag zu organisieren. Die Anstoßzeiten seien ungünstig für Familien und viele Leute würden direkt von der Arbeit ins Stadion hetzen. Seit der Verlegung sind die Zuschauerzahlen teils deutlich gesunken.

Von BeIN fühlen sich die Fans nicht ernst genommen. „Es ist kein technisches Problem, es ist ein philosophisches Problem“, glaubt Mezence. „Wir haben zwei grundverschiedene Visionen von Fußball. Wenn man mit ihnen spricht, fühlt sich das manchmal surreal an.“ Für die Protestierenden ist klar: Sie wollen eine große Mehrzahl der Spiele am Samstag erstreiten. „Das war nur der Anfang, die Proteste werden weitergehen. Und sie werden in den nächsten Wochen auch über die Tribünen der zweiten Liga hinausgehen. Wenn nötig, machen wir jahrelang weiter.“

Ungewöhnlich ist die Situation deshalb, weil ein Teil der Klubs hinter den Fans steht. Als regionale Marken sind sie auf ihre Fanbasis vor Ort angewiesen und halbleere Stadien sind nicht in ihrem Interesse. Bei Red Star Paris etwa liefen Spieler mit Protestshirts ein. BeIN-Direktor Houzot beschwerte sich über mangelnde Unterstützung. „Wenn die nicht kommt, müssen sie mit den Konsequenzen leben.“ Der Deal könnte also durchaus platzen. Fraglich aber ist, woher dann das Geld kommen soll.

„Das war nur der Anfang, die Proteste werden weitergehen“

Vincent Mezence, Fanvertreter

Der französische Fußball ist seit der Pandemie bedenklich in Schieflage geraten. Besondere Turbulenzen verursachten die plötzliche Zahlungsunfähigkeit des spanischen TV-Partners Mediapro, worauf Rechte hektisch weit unter Wert auf den Verkaufstisch kamen und ein langer Rechtsstreit mit Canal Plus. Die LFP, das französische Pendant zur DFL, hatte die neuen Rechte für die Ligue 2 ursprünglich schon im Oktober 2023 ausgeschrieben. Doch die gewünschten Preise wollte niemand zahlen. Auch die Ligue 1 ist ihre Rechte statt für eine Milliarde Euro pro Saison nur zum halben Preis losgeworden. Seitdem das Zugpferd Paris Saint-Germain für Katar an Bedeutung verloren hat und Stars wie Mbappé und Neymar weg sind, verliert die Liga auch an Attraktivität. Der katarische Sender BeIN zahlte zuletzt mehrfach verspätet, was die Klubs weiter unter Druck setzt.

„Wir sind zu abhängig geworden“, klagt Fanvertreter Mezence. „Erstens von Katar und BeIN Sports und zweitens von amerikanischen Investmentfonds, die hier seit vier oder fünf Jahren vieles aufkaufen.“ Der Konflikt in der zweiten Liga wirft mithin ganz grundsätzliche Fragen auf. Vincent Mezence hätte am liebsten die deutsche 50+1-Regel für den französischen Fußball und ein Gesetz gegen Multi-Club-Ownership. Es gebe, berichtet er, unter Fans eine Arbeitsgruppe dazu. „Wir kontaktieren lokale Po­li­ti­ke­r:in­nen überall, um sie zu überzeugen.“ Chance auf Neugestaltung oder weiterer Ausverkauf? Mezence fordert: „Wir müssen die Mentalität im Fußball grundsätzlich verändern.“