Ein Spiel mit großen Gefühlen

Die einstige HSV-Stürmerlegende Sergej Barbarez soll den Abwärtstrend der Fußballauswahl von Bosnien-Herzegowina aufhalten. Gegner ist nun die DFB-Elf

Trainer Barbarez gibt die neue Richtung vor Foto: Bernadett Szabo/reuters

Von Frank Hellmann

Mittlerweile acht Jahre ist es her, dass Sergej Barbarez sich in einem Urlaub auf Ibiza eine Glatze schneiden ließ. Als stürmende Legende des Hamburger SV ist noch das blondierte Haupthaar in Erinnerung, doch nun rückt der markante Schädel beim Nations-League-Spiel zwischen Bosnien-Herzegowina und Deutschland (Freitag 20.45 Uhr/RTL) unweigerlich ins Rampenlicht. Für Bosniens Nationaltrainer ist dieses Duell selbstverständlich besonders. „In mir sind ganz große Gefühle! Es ist mein Heimdebüt als Nationaltrainer – gegen meine zweite Heimat“, sagte der 53-Jährige dem Fachmagazin Kicker. Vom Spielort, der früheren Bergarbeiterstadt Zenica liegt seine Heimatstadt Mostar rund 150 Kilometer entfernt. Als im ehemaligen Jugoslawien der Krieg ausbrach, hatte ihn sein Vater zum Onkel nach Hannover geschickt. Anfang 1992 absolvierte er ein Probetraining in der zweiten Mannschaft von 96, um in neuer Umgebung Fuß zu fassen.

Es sollte ein Glücksfall sein, dass Frank Pagelsdorf in dem technisch veranlagten Kicker vom Balkan etwas entdeckte, was andere nicht sahen. Der Trainer holte ihn erst zu Union Berlin, dann zu Hansa Rostock und später auch zum HSV, wo sich Barbarez zum Tor­garanten und Großverdiener aufschwang. Ein Freigeist, der auf dem Rasen häufiger mal die Nerven verlor. Seit 2000 ist er schon in Hamburg zu Hause. Als der zweifache Vater seine aktive Karriere 2008 beendete, wollte ihn gleich der bosnische Fußballverband verpflichten, aber damals wirkten die Querelen um seinen Rücktritt als Kapitän 2006 noch nach.

Auch in der Folgezeit fand beide Seiten nie zusammen. „Jetzt ist die Nationalmannschaft weit unten, und es ist das Vertrauen da, dass ich etwas bewegen kann“, sagt der im April eingestellte Nationalcoach. Die meisten Landsleute verehren ihn, auch wenn das Nationalteam unter seiner Regie bislang nur gegen Ungarn (0:0) gepunktet hat. Die Niederlage in der Nations League bei den Niederlanden (2:5) war so vorhersehbar wie bei den Tests in England (0:3) und Italien (0:1).

Als Trainer hat sich Barbarez noch nicht viele Meriten verdient. Zeitweise vertrieb er sich die Zeit bei Pokerturnieren, die ihn bis nach Las Vegas führten. Die Aufgabe in seiner Heimat ist weniger schillernd. Zwar spielt Bosnien-Herzegowina in der A-Kategorie der Nations League, rutschte in der Fifa-Weltrangliste aber auf Platz 75 ab. „In den vergangenen Jahren ging es nur noch bergab. Ein normaler Mensch hätte diese Aufgabe nicht angenommen.“

„Wir können uns von Deutschland ganz viel abschauen“

Sergej Barbarez

Der mit einem Vierjahresvertrag gebundene Barbarez nennt die EM 2028 das Fernziel. Nur ein einziges Mal – bei der WM 2014 – spielte das kleine Land bei einem Turnier mit. Etwas neidisch schaut man auf die Erfolge des Nachbarn Kroatien. Der durchaus patriotische Barbarez („Liebe und Stolz werden bei uns groß geschrieben“) hat den Job mit seinem Freund Emir Spahić angetreten, der als Sportdirektor für alle Auswahlteams ab der U15 fungiert.

Der auch noch beim Karlsruher SC als Co-Trainer arbeitende Zlatan Bajramović hilft als einer seiner Assistenten. Deutschland bildet einen wichtigen Bezugspunkt für viele Nationalspieler. Der 38-jährige Torjäger Edin Džeko, der vergangene Saison bei Fenerbahçe Istanbul stolze 21 Treffer erzielte, spielt ebenso noch eine wichtige Rolle wie der 34-jährige Ermin Bičakčić vom Zweitligisten Eintracht Braunschweig. „Beide verkörpern die emotionale Komponente auf unglaubliche Weise“, sagt Barbarez, der zudem auf die Deutschland-Legionäre Nikola Vasilj (FC St. Pauli) im Tor, Dženis Burnić (Karlsruher SC), Armin Gigović (Holstein Kiel), Denis Huseinbašić (1. FC Köln) und natürlich Ermedin Demirović (VfB Stuttgart) setzt. Seinem Ensemble will der Trainer gar nicht viel Druck machen. „Wir können uns von Deutschland ganz viel abschauen.“