Berlins Haushaltsmisere: Rettung auch auf Pump

Sparen und Kürzen allein wird nicht reichen, um den Landeshaushalt auszugleichen. Gleich auf zwei Wegen sollen auch Kredite weiterhelfen.

Das Foto zeigt zwei Hände, die über einer Kiste mit Einkäufen ein geöffnetes Portemonnaie und Geldscheine halten

Das reicht vielleicht für den Einkauf, aber nicht dafür, den Berliner Landeshaushalt wieder in Ordnung zu bringen Foto: Hendrik Schmidt/dpa

Berlin taz | Positiv betrachtet, lassen sich in Berlins Landespolitik gerade interessante Momente erleben. Da gibt es Hintergrundgespräche, die überraschend konkret sind – leider eben nur für den Hintergrund und nicht zum Zitieren. Da ist dieser demonstrative Zweckoptimismus in der schwarz-roten Koalition, der Angela Merkels früherem „Wir schaffen das“ nicht nachsteht.

Negativ gesehen aber ist weiterhin offen und fragen sich viele in Berlin, ob jene 3 Milliarden Euro, die im Haushalt für 2025 fehlen, auch bei ihnen eingespart werden. Schon länger, aber nun verstärkt, ist bis in die CDU hinein von Krediten zu hören, die unter Umgehung der Schuldenbremse weiterhelfen sollen.

Hauptausschuss des Abgeordnetenhauses, Mittwoch 12.30 Uhr. Die Debatte über die Finanzmisere läuft, Linkspartei und Grüne kritisieren zum wiederholten Mal Hinterzimmerpolitik bei der schwarz-roten Koalition, verlangen Klarheit darüber, wo jene einzusparenden Milliarden herkommen sollen, von denen seit Monaten die Rede ist.

Der Ausschuss tagt im Plenarsaal, wo sonst 159 Abgeordnete sitzen, aber jetzt eine ganz andere Atmosphäre herrscht, als wenn das ganze Parlament zusammenkommt. Was schon an führenden Köpfen von CDU und SPD abzulesen ist. Heiko Melzer und Torsten Schneider, bei Plenarsitzungen als Parlamentarische Geschäftsführer sonst fast ausnahmslos in Anzug und Krawatte zu sehen, sitzen in Pulli und T-Shirt in den ersten Reihen der Koalitionsfraktionen. Die klare Botschaft: Hier ist der Maschinenraum des Parlaments, hier wird richtig gearbeitet.

„Strukturelles Defizit“

Wobei das mit Blick auf die besagten Milliarden eben hier nicht passiert, sondern andernorts, wo allein die Koalitionäre zusammensitzen. Erst im November sollen die schwarz-roten Überlegungen dazu ins Parlament kommen. Dabei hatte Finanzsenator Stefan Evers (CDU) schon zu Jahresbeginn deutlich ausgemalt, wie ernst die Lage ist.

Dass überhaupt 3 Milliarden fehlen, hat seinen Grund nicht darin, dass 2025 ein Großprojekt anstünde, das viel Geld verschlingt, aber eben nur einmal. Stattdessen, so hat es Evers in ebenjenem Plenarsaal und an anderer Stelle oft genug erklärt, geht es um dauerhafte Ausgaben. „Strukturelles Defizit“ ist der Fachbegriff dafür – was zu wissen aber auch nicht weiterhilft.

Um eine solche Lücke zu schließen, gibt es drei Möglichkeiten: kürzen, mehr einnehmen und Schulden machen. In dieser Woche ist immerhin klar geworden, dass nicht bloß die Linksfraktion auf höhere Steuern drängt, sondern auch die Koalition darüber nachdenkt. Wobei die Möglichkeiten eines Landes begrenzt sind – Grunderwerbsteuer und Übernachtungsteuer gehören dazu.

Klarer wird in diesen Tagen gleichfalls, welche Rolle neue Kredite spielen sollen, die es eigentlich wegen der in der Verfassung verankerten Schuldenbremse nicht mehr geben darf. Berlin hatte bereits im Frühjahr laut Statistischem Bundesamt 67 Millionen Euro Schulden – über anderthalb Mal so viel wie der Landeshaushalt für dieses Jahr.

Wege um die Schuldenbremse herum

Auf zwei Wegen soll es möglich sein, die Schuldenbremse zu umgehen: einmal über sogenannte Transaktionskredite, einmal über Notlagekredite. Es scheint sich dabei abzuzeichnen, dass es längst nicht mehr um das Ob, sondern nur noch um das Wieviel an Kreditaufnahme geht. Längst soll jeweils 1 Milliarde eingepreist sein – sonst sei man beim Defizit „nicht bei 3, sondern bei 5 Milliarden“. Auch bei den oppositionellen Grünen sieht man das so: „Ich halte es für wahrscheinlich, dass Schwarz-Rot auf beides zurückgreift“, sagt ihr haushaltpolitischer Sprecher André Schulze am Donnerstag der taz.

Transaktionskredite lassen sich dabei als Kredite betrachten, die dazu dienen, das Kapital landeseigener Unternehmen aufzustocken. Die haben dadurch das Geld für notwendige Investitionen, bei der BVG beispielsweise für neue Züge oder Busse. Offiziell belasten diese Kredite den Haushalt nicht direkt. Den Schuldenberg erhöhen aber auch sie.

Mit Notlagenkrediten wiederum, so haben es schon im Sommer führende SPD-Politiker angeregt, sollten sich die Kosten für die Flüchtlingsunterbringung besser tragen lassen. Dazu müsste das Land eine Notlage ausrufen. Als Voraussetzung dafür nennt das Grundgesetz in Artikel 115 allerdings „Naturkatastrophen oder außergewöhnliche Notsituationen, die sich der Kontrolle des Staates entziehen und die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigen“. Im Kern geht es darum, ob eine jetzige Krisenlage absehbar war – um diese Frage ging es auch beim gerichtlich gescheiterten Sondervermögen für Klimaschutz.

Für den Landesvorsitzenden des Bundes der Steuerzahler, Alexander Kraus, ist das alles nicht gegeben: „Sosehr sich die Politik auch bemüht, Begründungen für neue Schulden zu finden, gehe ich nicht davon aus, dass die grundgesetzlichen Voraussetzungen für eine Notlagenverschuldung zur Finanzierung der Flüchtlingskosten vorliegen“, reagierte er schon im Sommer auf ebensolche Überlegungen von SPD-Frak­tions­chef Raed Saleh, „die auslösenden Krisenereignisse liegen nun schon so weit in der Vergangenheit, dass sich die Politik hätte längst auf die Folgen einstellen müssen.“ Grünen-Haushaltsexperte Schulze schätzt das anders ein.

Schweigen in der Öffentlichkeit

Auch in der Senatsverwaltung für Finanzen sind Kreditüberlegungen durchaus nicht vom Tisch. Offiziell halten sich entscheidende Leute währenddessen an das vereinbarte Stillhalten gegenüber der Öffentlichkeit, bis wahlweise „schnellstmöglich“ oder „im November“ Konkretes vorliegen soll.

„Wir sind im Zeitplan, wir kriegen das gut hin“ (CDU-Mann Melzer gegenüber der taz) oder „Wir drehen jeden Stein um“ (Finanzstaatssekretärin Tanja Mildenberger im Hauptausschuss) sind typisch für den gegenwärtigen Mitteilungsstand.

Ein breites Dementi zu Krediten gibt es dabei nicht. Genauso wenig gibt es eine klare Risikobewertung bei der Frage, ob mögliche Notfallkredite nicht genauso wie frühere Planungen nachträglich am Verfassungsgericht scheitern. Aus üblicherweise gut informierter Quelle klang in dieser Woche immerhin so etwas wie Hoffnung: „Das sieht so aus, dass das geht.“

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