Assistenz von Menschen mit Behinderung: Schritt für die Menschlichkeit
Menschen mit Behinderung wollen einen höheren Tariflohn für ihre Assistent:innen. Es geht dabei auch um ihre Selbstbestimmung.
Sie sind gekommen, um eine Lohnerhöhung für persönliche Assistent:innen von Menschen mit Behinderung zu fordern. Genauer gesagt: Für Assistent:innen, die direkt von ihren behinderten Arbeitgeber:innen angestellt werden, im sogenannten Arbeitgeber:innen-Modell.
Was verklausuliert klingt, meint nicht weniger als eine vollumfängliche, selbstbestimmte Unterstützung im Alltag. Menschen mit Behinderung können sich mit diesem Modell ihre Assistenz selbst aussuchen und anstellen. Indem sie selbst entscheiden, wer sie unterstützt und wobei, gewinnen sie ein Stück Freiheit zurück. Das ist auch der große Vorteil gegenüber den Assistenzdiensten, die einige stattdessen in Anspruch nehmen.
Seit dem 1. Juli gilt nun für eben jene Assistenzdienste ein Haustarifvertrag. Eigentlich eine gute Nachricht – doch: Nun müsste auch eine Lohnerhöhung für die Assistent:innen im Arbeitgeber:innen-Modell folgen. „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit in der persönlichen Assistenz“, heißt es darum auf den Transparenten auf der Kundgebung am Donnerstag. Auch die Angestellten der Assistenzdienste unterstützen diese Forderungen und betonen: „Wir lassen uns nicht gegeneinander ausspielen.“
Tarifvertrag steht – eigentlich
Eine gewählte Tarifkommission und einen entsprechenden Tarifvertrag für Assistent:innen im Arbeitgeber:innen-Modell gebe es schon, sagt Verdi-Gewerkschaftssekretär Ivo Garbe. Wo ist also das Problem? Nun, der Lohn der Assistent:innen kommt aus dem persönlichen Budget der behinderten Arbeitgeber:innen. Diese kritisieren nun, dass der Senat entsprechende Mittel nicht für sie bereitstellt.
Darum ergebe sich so eine unfreiwillige Konkurrenz in puncto Bezahlung: Assistent:innen im Arbeitgeber:innen-Modell verdienen schlechter als ihre angestellten Kolleg:innen. Außerdem bekommen sie bisher keinen Inflationsausgleich – so entstehen unattraktive Arbeitsbedingungen.
„Wir, die behinderten Arbeitgeber:innen, finden darum keine Assistent:innen mehr“, sagt Bastian Beekes, der in der Arbeitsgemeinschaft der Arbeitgeber:innen organisiert ist. Mitstreiterin Christine Damaschke folgert: „Wenn keine Assistenz mehr für uns arbeiten wird, ist das zum Teil lebensbedrohlich.“ Die Alternative wäre für sie eine Unterbringung im Heim. So viel zum Thema Selbstbestimmung.
Und die Sozialsenatorin?
Die Demonstrant:innen vor den Türen der Sozialsenatorin prangern deren Untätigkeit an, dabei hätten sie eine Reihe von Einladungen ausgesprochen. Gegenüber der taz vermeldete die Senatsverwaltung, sie arbeite gerade an einer „Fachlichen Weisung zur Kalkulation der Leistung“ für Assistent:innen.
Außerdem verwies sie auf ihr verfügbares Budget. „Es kann nicht sein, dass die Sparmaßnahmen des Senats auf Kosten der Menschen mit Behinderungen gehen“, findet Gewerkschafter Garbe. Die behinderten Arbeitgeber:innen wünschen sich vor allem, als Menschen und nicht als Kostenfaktor gesehen zu werden.
„Wenn jetzt nicht dringend gehandelt wird, steht dieses Modell komplett infrage“, sagt Garbe. Mitstreiter:in Jules Butzek richtet die Worte direkt an die Politik: „Wenn wir in zwei Wochen nichts gehört haben, müssen wir wiederkommen.“ Es ist also davon auszugehen, dass der Protest eher lauter als leiser wird.
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