Der Dieter Bohlen der Politik: Der peinliche Gast
Mein Kollege Hasan sagte in der Umkleide, ich hätte einen berühmten und peinlichen Gast zu Hause. Ich wusste davon nichts. Aber mein Sohn Mehmet.
N ach der Frühschicht in Halle 4 ziehe ich wieder meine guten Klamotten an, um nach Hause zu gehen. Da kommt mein Kumpel Hasan rein, der diese Woche Mittagsschicht hat. Der Arme muss jetzt zehn Stunden schuften.
„Leute, was sagt ihr denn zu Osmans berühmtem Gast?“, ruft er mit überschwänglicher Stimme durch unseren Umkleideraum.
„Osman hat uns nichts erzählt. Was für ein berühmter Gast denn?“, fragt Nedim neugierig.
„Hasan, was für ein berühmter Gast denn? Ich weiß von nichts“, frage ich genauso neugierig.
„Komm, Osman, tu doch nicht so. Du brauchst dich doch vor uns nicht zu schämen. Wir sind doch alle Kollegen“, lacht Hasan vielsagend. Aber es sagt mir trotzdem nichts.
„Ein berühmter Gast, für den man sich schämen muss? Ich habe keine Ahnung“, wiederhole ich ehrlicherweise.
Der Staplerfahrer Hans lacht laut und meint ironisch: „Osman, warum verschweigst du uns denn, dass Dieter Bohlen dich immer heimlich besucht?“
„Nein, ist sogar noch peinlicher als Dieter Bohlen. Und etwas politischer. Sagen wir mal, der Dieter Bohlen der Politik“, sagt Hasan geheimnisvoll und grinst.
„Der Söder vielleicht?“
„Nein, der auch nicht.“
„Wagenknecht?“
„Nein.“
„Merz?“
„Nein.“
„Ist Merkel peinlich genug?“
„Die macht doch keine Politik mehr.“
„Hasan, wie kommst du denn eigentlich darauf, dass ich so einen komischen Gast erwarte?“, frage ich immer noch verwirrt.
Hasan genießt die Aufmerksamkeit regelrecht und ruft: „Dein Sohn Mehmet stand gerade bei euch vor der Haustür und wartete sehnsüchtig auf euren berühmten und echt peinlichen Gast.“
„Da bin ich aber echt gespannt, welchen komischen Typen Mehmet wieder ins Haus schleppt“, knurre ich, schnappe meine Arbeitstasche und renne zu meinem Ford-Transit.
Alle Kollegen heften sich mir mit ihren Autos an meine Stoßstange. Sogar Hasan kommt mit, um gleich seinen Sieg zu feiern. Als Konvoi fahren wir zum Karnickelweg 7b.
Zu Hause angekommen, springe ich raus und klettere in Höchstgeschwindigkeit die Treppen rauf zu unserer Wohnung. Die Kollegen genauso zügig hinter mir her.
„Mehmet, du Idiot, wen hast du denn schon wieder eingeladen?“, brülle ich noch in der Tür, zugegeben, nicht ganz gastfreundlich.
„Niemanden. Was soll die Frage?“, ruft er aus seinem Zimmer.
„Du hast doch Hasan erzählt, dass du auf einen peinlichen, politischen Gast gewartet hast.“
„Nicht, dass ich wüsste“, sagt er, kommt aus seinem Zimmer und schaut sich verwundert im überfüllten Treppenhaus meine Arbeitskollegen an, die ihrerseits ihn voller Erwartung anschauen.
„Komm, Junge, sag die Wahrheit! Du hast mir gesagt, du wartest auf den Sarrazin“, ruft Hasan siegessicher.
„Onkel Hasan, du bist vielleicht lustig. Ich hab gesagt, ich warte auf den neuen Sarrazin'. Gestern habe ich mir bei Amazon sein neues Buch bestellt. Nach,Deutschland geht anschaffen' hat er ein neues Buch geschrieben.,Deutschland dreht krumme Dinger', oder so ähnlich.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Kampf gegen die Klimakrise
Eine Hoffnung, die nicht glitzert
Altersgrenze für Führerschein
Testosteron und PS
Angeblich zu „woke“ Videospiele
Gamer:innen gegen Gendergaga
Haldenwang über Wechsel in die Politik
„Ich habe mir nichts vorzuwerfen“
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen