Schlafgewohnheiten: Manche brauchen Ritze

Schlafen ist eine höchstpersönliche Angelegenheit. Als Betreiber eines Gasthofs kann man sich da noch so viel Mühe geben – irgendwer liegt immer wach.

Eine Frau schläft in einem Bett

Jeder Mensch hat ein individuelles Schlafbedürfnis Foto: imago

Zahlt man für eine Übernachtung, kauft man sich ein Privileg. Wird die Nacht unruhig, kann das zwar verschiedene Gründe haben – die zu weiche Matratze, die ungemütliche Zudecke, die zu laute Hauskanalisation –, auf jeden Fall aber darf man dem Gastgeber die Schuld geben. In dieser Hinsicht bewundere ich Morgen für Morgen die beste Wirtin der Welt, wenn sie unsere Gäste beim Frühstück fragt: „Gut geschlafen?“

Es kommt selten vor, dass dann jemand so offen über eine unruhige Nacht berichtet wie die Dame, die Anfang September bei uns war. Sie hatte bis zum Aufstehen genug Zeit zur Analyse und die häufigsten Gründe bereits ausgeschlossen. Eben das, was einem oft mal den Schlaf rauben kann: etwa zu viel gegessen oder getrunken oder der Espresso, den man ausnahmsweise bestellt hat.

Auf keinen Fall, sagte die Gästin, so etwas mache ihr nie Probleme. Für das Wahrscheinlichste hielt sie eine Wasserader unter dem Bett und wollte das während des Aufenthalts weiter beobachten. Die beste Wirtin der Welt nickte ernsthaft, und ich hatte sofort gemeinsame nächtliche Wünschelrutenwanderungen vor Augen.

Alle haben eine Vorstellung der perfekten Matratze

Schlaf, das habe ich gelernt, ist heutzutage mindestens eine so individuelle Tätigkeit wie die Ernährung, und als Betreiber einer Pension kann man da nur scheitern, auch wenn man alles versucht. Wir haben inzwischen ein kleines Arsenal an Decken: für den Sommer, den Winter, für Kinder, Allergiker und für Hunde. Grenzen gibt es bei den Matratzen, da kann man nicht viel wechseln.

Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.

Brauchen wir neue, kaufe ich inzwischen solche mit der Festigkeit „H3“, das ist angeblich der meistverkaufte Härtegrad in Deutschland, allerdings fehlt für die Angabe eine Norm. Was uns schon das Lob gebracht hat, noch nie auf einer so angenehmen Matratze gelegen zu haben, und drei Tage später von einem anderen Gast auf Google die Kritik, das Bett „habe auch schon bessere Tage gesehen“.

Ich erlebe keine Überraschung mehr, wenn bei Buchungsanfragen das Gespräch auf Betthöhe und -länge oder die Gestalt der Matratzen im Doppelbett kommt. Ja, es gibt Menschen, die brauchen Ritze. Mittlerweile habe ich mich auch daran gewöhnt, dass Gäste – übrigens gar nicht so selten – eigenes Bettzeug mitbringen, und sogar Matratzenauflagen. Und damit ist das Thema der individuellen Nachtruhe jetzt gerade mal angerissen.

Der Mut zu der Frage „Gut geschlafen?“ hat ein ganzes Universum eröffnet. Sie ist mit ein Grund, warum die beste Wirtin der Welt eben die beste Wirtin der Welt ist.

Die Wasserader übrigens war ein Fehlalarm. Sie sei inzwischen sicher, es sei der Vollmond gewesen, und zwar ein ganz besonders großer, sagte die Gästin am nächsten Morgen. Sie hatte gut geschlafen.

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