Andreas Rüttenauer
Kulturbeutel
: Die Farben des Vereins sind unantastbar

Foto: Anja Weber

Es soll ruhig blieben, wenn die Fußballer des SC Paderborn am Freitagabend ihr Spiel gegen Jahn Regensburg in der zweiten Bundesliga bestreiten. Die Ultragruppierungen „Black Blue Fighters“, „Passione Paderborn“ und „Supporters Paderborn“ wollen keine Stimmung im Stadion machen. Mit ihren Sangesboykott protestieren sie gegen die Aktion eines Sponsors, der für die Fans einen Angriff auf ihre Identität und Werte darstellt. Ein Protestschreiben der drei Gruppen ist mit „blau-schwarzen Grüßen“ unterschrieben, womit wir mitten im Thema sind, Denn genau diese beiden Farben, Blau und Schwarz, will der Klub den Fans an diesem Spieltag nehmen und in grünen Trikots auflaufen.

Klubsponsor Four 20 Pharma, ein Großhändler für medizinisches Cannabis will gemeinsam mit der Sanity Group, die sich selbst als „Europas führendes Cannabis-Unternehmen“ bezeichnet, für sein Geschäft werben. In grasgrünen Trikots soll der SC Paderborn auflaufen, um für Therapien auf Grasbasis zu werben. Dass mit dem Jahn aus Regensburg der Gegner an diesem Spieltag aus Bayern kommt, dem Land, dessen Regierung sich immer noch auf dem Kreuzzug gegen den Cannabiskonsum befindet, scheint da besonders gut zu passen.

Doch die Paderborner Ul­tras finden das alles andere als witzig und schreiben in ihrer Protestnote an den Klub von einem Angriff auf ihre Identität: „Unser Trikot ist ein zentrales Element unserer Identität, ein Symbol unserer Gemeinschaft und unserer Verbundenheit mit dem Verein. Es ist weit mehr als nur ein Kleidungsstück – es steht für Werte und für Leidenschaft.“ Viel dicker kann man eigentlich nicht auftragen.

Aber auch andernorts wird mit heiligem Ernst für die Klubfarben gestritten. Als der FC Bayern am vergangenen Wochenende Leverkusen zum Spitzenspiel empfangen hat, wurden die Münchner in mausgrauen Trikots mit Folkloreelementen auf den Platz geschickt. Das Logo auf der Brust war so verschnörkelt, als hätte es ein Trachtendesigner im Kokainrausch gezeichnet. Dieses offizielle Wiesntrikot, mit dessen Verkauf die Bayern zur Oktoberfestzeit ein paar Taler oder auch mehr dazuverdienen möchten, kam bei den Fans hinter dem Tor gar nicht gut an.

Die empfinden schon das reguläre Heimtrikot als Verstoß gegen das Grundgesetz des Klubs, weil es in Rot mit schwarzem Aufdruck gehalten ist. Dabei steht in Paragraf 1 der Satzung geschrieben: „Die Clubfarben sind Rot und Weiß.“ Doch die Farben des Klubs sind schon lange nicht mehr unantastbar. Der FC Bayern geht mit der Mode und genau das geht den Ultra-Fans gegen den Strich. Immer wieder malen sie Transparente, um ihre Position im Kulturkampf um die Klubfarben deutlich zu machen. „Kein rot-weißes Trikot, ein verschandeltes Wappen, eurer ‚Mia san mia‘ ist nur Fassade!“, lautete der Kurvenkommentar zum Wiesntrikot.

Ja, haben denn die Fans am Ende gar nicht mitbekommen, dass es beim Profifußball zu einem großen Teil einfach ums Geschäft geht, möchte man angesichts dieser fast schon naiv erscheinenden Kämpfe um die Identität fragen. Der Trikotverkauf ist längst zu einer bedeutenden Säule auf der Erlösseite der Klubbilanzen geworden.

Klar, das war mal anders. Angesichtes der Champions-League-Partie des FC Bayern gegen Aston Villa am Mittwochabend ist ausführlich an die Niederlage der Münchner im Finale des Europapokalwettbewerbs der Landesmeister zwischen den beiden Klubs 1982 in Rotterdam erinnert worden. Auf den Bildern von damals ist zu sehen, dass es damals durchaus noch üblich war, sich ohne Fantrikot in die Kurve zu stellen. Da konnte man noch Fan sein, ohne das Wappen des Herzensklubs auf der Brust zu tragen.

Das ist heute gewiss schwieriger. Dennoch vielleicht ein Tipp für alle Fans des FC Bayern, die das Wiesntrikot so hässlich finden, wie es ist: Man muss es sich ja nicht kaufen.