kunstraum
: Hinter dem Glanz

John Boskovich dekonstruierte die Chiffren Hollywoods. Tracey Snelling blickt hinter die Botschaften der Architektur

Drei Bongs und ein Traum: John Boskovich „I Have a Dream“, 1993 Foto: (c) Max Eulitz, VG Bild-Kunst Bonn 2024; Courtesy: The Estate of John S. Boskovich

John Boskovichs Kunst hat was von der Besenkammer in einer Villa aus Los Angeles, von dem einsamen, unbelichteten Abstellort hinter dem Glanz. Man kennt doch die Interieurs dieser Neunzigerjahre-Pomphäuser aus dem Fernsehen: Spiegel im goldenen Rocaille-Rahmen, zum Versinken tiefe Polstermöbel, riesige TV-Geräte in Einbauschränken aus Marmor, darauf ein Pseudo-Altar mit Buddha-Figur. In solch einem glitzernd eklektischen Setting für die Reichen der Westküste kann man John Boskovich auch auf einer Videoaufnahme von 1994 finden, wo die TV-Moderatorin Joan Quinn ihn ausfragt über seine konzeptuelle Kunst, die „alles sein darf, nur nicht emotional“, über eine Fotografie von einer Honigtube in Bärchenform etwa. Schon ein paar Mal benutzt und etwas verklebt hat Boskovich das Plastikbärchen vor dramatisch fallenden Schatten abgelichtet. Das habe etwas von der kühlen Monumentalität der deutschen Fotografie, von Bernd und Hilla Becher, sagt Boskovich, damals Ende dreißig. Und man muss innerlich schmunzeln ob der Ironie, mit der er seine eigene Kunst verortet.

Eine traurige Ironie gleichwohl, wie sie auch bei einem anderen L.A.-Künstler Mike Kelley anzutreffen war, etwa bei seiner berühmten Fotoserie weggeworfener Kuscheltiere. Mit Mike Kelley oder Cindy Sherman stellte John Boskovich in den neunziger Jahren auch aus. Wie sie demaskierte Boskovich die Objekte und Requisiten eines US-amerikanischen Alltags, den Konsum, der einen letztendlich ziemlich einsam werden lässt, psychisch in die dunkle Besenkammer drückt.

Boskovichs Ruhm war kurz, 2006 verstarb er an einem Herzleiden. Da hatte er sich schon viele Jahre in seine Wohnung in West-Hollywood zurückgezogen und ein Museum für seine eigene, klaustrophobische Kunst eingerichtet, zu dem nur manche Zugang hatten. Das macht es noch etwas besonderer, dass seine ziemlich in Vergessenheit geratene Arbeit nun im Projektraum Scherben zu sehen ist. Die Projektraumbetreiber Lorenz Liebig, Sven Schmittbüttner und Tarik Kentouche haben mit der Cousine Boskovichs zusammen zahlreiche Utensilien aus seinem Nachlas nach Berlin gebracht. Man sieht dann etwa den Rosenkranz, den Boskovich auch im Interview mit Joan Quinn trägt. Die Perlen sind aus Tabletten nachgeformt, aus den Antidepressiva und Schmerzmitteln, die er selbst zuweilen einnahm. Man findet seine Polaroidaufnahmen vom Fernsehbildschirm, als er mitten in der Nacht durchs TV-Programm zappte. Verschwommene Köpfe sind darauf zu sehen, Yoda aus „Krieg der Sterne“ etwa. Yoda ist eine von vielen Figuren aus der US-amerikanischen Pop- und Subkultur, die in seinen Filmen, Zeichnungen und Installationen wie ein Phantom immer wieder auftauchen. Auch zu sehen sind drei Bongs in der Form eines Piece-Zeichens. Das kalifornische Hippie-Friedenssymbol, das zu Boskovichs Lebzeichen nur zu einem hohlen Kommerzzeichen verkommen war. Boskovich stellte die Wasserpfeifen in eine Vitrine, das Glas versehen mit einem Zitat Rodney Kings. Der Schwarze US-Bürger King war einmal brutal von Polizisten verprügelt worden. Als man die Täter jedoch vor Gericht von der Schuld freisprach, brachen in Los Angeles 1992 Unruhen aus. Sie gingen als L.A. Riots in die US-amerikanischen Annalen ein, 53 Personen starben. Jetzt erinnern daran die musealisierten Bongs, als wären sie das Beruhigungsmittel für eine konfliktgeladene, rassistische US-Gesellschaft.

„I appreciate my uniqueness“, John S. Boskovich, Scherben, bis 20. Oktober, Leipziger Str. 61, Fr.–So. 14–18Uhr

„How we live“, Tracey Snelling, Haus am Lützowplatz, bis 9. Februar 2025, Lützwoplatz 9, Di.–Sa. 11–18Uhr

Ein gewisses Brodeln ist hingegen in der Ausstellung von Tracey Snelling im HaL nicht zu dämpfen. Leuchtreklame und Bildschirme flackern dort überall, ein dickes „Fuck“ blinkt auf Neonröhren. Die US-amerikanische Künstlerin hat hier jede Menge Architekturmodelle aufgestellt, aus den USA, aus China und Japan, auch aus Berlin – der brutalistische Mäusebunker ist dabei. Wie wollen wir leben, fragt sie. Gemeinschaftlich, offen, sicher, aber nicht verschlossen in der gesellschaftlichen Besenkammer, scheint es aus den vielen Videos und Interviews zu antworten. Sophie Jung