wortwechsel: Dein Handy klingelt. Du gehst ran – es explodiert
Dutzende Tote, 3.000 Menschen im Libanon grausamst verletzt. Die Hisbollah nutzte Pager. Der Mossad hatte eine Lieferung mit Sprengstoff präpariert. Eine Massenverstümmelung
„Attacken im Libanon: Genial gezielt oder wahllos? Mutmaßlich Mossad-Agenten haben mit einem gezielten Angriff das Kommunikationssystem der Hisbollah lahmgelegt. Ist das legitim?“,
taz vom 19. 9. 24
„Eine Glanzleistung?!“
Euer Ja/Nein zu den Pager-Bomben – ich war unfähig, die Argumente wirklich zu lesen, weil mich der Einstieg schon komplett aus dem Sessel geschleudert hat. Da schreit eine Frau – die vermutlich selbst nie Soldatin war – ihre Bewunderung für diese wirklich gelungene Aktion in die Leserwelt, ohne sich dafür zu entschuldigen. Menschen zu töten findet für sie scheinbar nicht in der Realität statt, sondern ist eher so etwas wie ein Computerspiel, in dem gelungene Strategien, die möglichst viele töten, belohnt werden. Wo sind wir denn gelandet mit unserer ach so humanen Werte-Gesellschaft? Erst mein zweiter Gedanke ging zu euch, zur taz: Seid ihr denn von allen Geistern verlassen, eine solche Ja-Nein-Frage überhaupt zu stellen? Schwarz-Weiß-Denken statt Nachdenken, Urteilen statt Reflektieren.
Ulrike Meyer, Tübingen
Der Angriff der Hamas vom 7. Oktober 23 war ein furchtbares Verbrechen – ja. Israel hat das Recht, sich zu verteidigen – ja. Wenn aber hier im Pro und Contra geschrieben wird, der Pager-Angriff des Mossad sei eine militärische Glanzleistung, läuft es mir kalt den Rücken herunter. Im Moment erlebe ich eher die Hisbollah als rational und kalkulierbar agierend, die rechtsradikale israelische Regierung dagegen unternimmt alles, damit es nicht zu einer Einigung mit der Hamas kommt.
Anders als hier behauptet, ist es eben aktuell nicht die Hisbollah, an der ein Friedensschluss scheitert. So sehr ich das Existenzrecht Israels befürworte – warum gibt es bei SPD und Grünen kaum Stimmen, die eine Unterbrechung der Waffenlieferung an Israel verlangen?
Günther Egidi, Bremen
Ich bin absolut entsetzt wegen Ihres Artikels über die grauenhaften Anschläge Israels im Libanon mit circa 3.200 Schwerverletzten und 34 Toten. Dass in der taz (!!) allen Ernstes ein solch abscheulicher Terrorakt mit Pro und Contra dargestellt wird, ist für mich wie für viele andere taz-Leser nicht zu fassen! Und dieser Terrorakt wird auch noch als „genial“ und als „Glanzleistung“ mit höchster Bewunderung für die Perfidie vom Mossad bezeichnet. Das ist einfach ungeheuerlich! Noch dazu, wenn man bedenkt, dass der zweite Anschlag auch noch während der Beerdigung von Opfern vom Vortag stattfand. Michaela Langenstein
Mit Empörung habe ich den „Ja“-Kommentar der taz gelesen. Hier wird behauptet, dass mit den Explosionen der Pager zivile Opfer auf ein Minimum beschränkt würden. Das UNO-Menschenrechtsbüro weist darauf hin, dass es gegen internationale Menschenrechtsnormen verstoße, einen Angriff gleichzeitig auf Tausende Personen durchzuführen, ohne zu wissen, wer das Gerät zum Zeitpunkt des Angriffs bei sich hatte oder wo und in welcher Umgebung die Person sich gerade befindet. Besonders abstoßend finde ich die Wertung der Aktion als „eine militärische Glanzleistung“ und die Bestückung von Pagern mit Sprengstoff als „einfach genial“. Dies ist eine sozialdarwinistische Argumentation des Stärkeren, mit der die kalte, zweckrationale Logik des Tötens verherrlicht wird. Hierin drückt sich eine Verrohung durch den Krieg aus, die nicht nur auf den Schlachtfeldern, ausgehend vom Terrorangriff der Hamas und Hisbollah, über die israelische Armee, sondern auch in der Sprache der taz Redaktion stattfindet. Albrecht Rossmann, Hamburg
„Einfach genial“ 3.000 Menschen im Libanon schwer zu verletzen, ihnen das Augenlicht zu nehmen, sie zu verstümmeln, Kinder zu töten? Diese Art der Kriegsführung ist schlicht Terrorismus, so wie dies der UN-Hochkommissar für Menschenrechte festgestellt hat. Wahllos Bomben in Telefonen zur Explosion zu bringen, egal wer dies Gerät gerade wo trägt, ist inhuman, menschenrechtswidrig und es verstößt gegen das Kriegsvölkerrecht. Ganz abgesehen davon, dass dies nur einen weiteren Schritt auf der schier endlosen Eskalationsleiter des Nahostkonfliktes darstellt, der auch für Israel nur in einer fürchterlichen Sackgasse endet. So gnadenlos Partei für die rechtsradikalen Hardliner in Israel zu ergreifen, ist schon erschreckend. Rüdiger Jung, Berlin
Und taz.de schreibt …
Wer trägt Pager? Hisbollah-Aktivisten. Wer trägt Funkgeräte? Hisbollah-Aktivisten.
Der Cleo Patra auf taz.de
@Der Cleopatra
Und deren Kinder.
Null Substanz auf taz.de
Über einem der Eingänge zur Hölle steht: Der Zweck heiligt die Mittel.
Mustardmaster auf taz.de
Es handelt sich eindeutig um Staatsterrorismus, da die Ziele nicht identifizierbar sind, das heißt, ein kleines Kind, das mit dem Pager seines Vaters spielt, kann unter den Opfern sein. Barbarisch brutal. Die Welt wird diese Taten nicht vergessen.
Ertugrul Gazi auf taz.de
@Ertugrul Gazi Lässt ein Hisbollah-Kämpfer sein Kind mit seinem Pager spielen? Lässt ein anderer Islamist sein Kind über Minenfelder laufen oder bindet ihm einen Sprengstoffgürtel um? Die Welt wird auch diese Taten nicht vergessen.
Aujau auf taz.de
Wir können diskutieren
Die Menschenleben verachtende Meinung pro Pager-Attacke machte mich beim ersten Lesen erst einmal sprachlos. Inhaltlich sehr fragwürdig ist die Aussage, dass „zivile Opfer auf ein Minimum beschränkt werden“. Sprachlich völlig unpassend ist es, von einer „militärischen Glanzleistung“ zu sprechen. Gut, dass die Gegenmeinung wie auch der Artikel auf der Themenseite „Kurze Zündschnur“ eine viel differenziertere Sicht auf die Dinge zeigen. Gut ist aber auch, dass „Meinung und Diskussion“ in Deutschland noch möglich sind. Danke taz!
Hartmut Reisiger-Paulig, Nordkirchen
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