Ausgehen und rumstehen von Ruth Lang Fuentes: Der antifarote Vollmond am Vorabend der Sperrminorität
Wir kommen mal wieder zu spät. Und das, obwohl das About Blank am Ostkreuz drei Bands angekündigt hat, die wir auf keinen Fall verpassen wollen: Bierbabes, Finna, Acht Eimer Hühnerherzen! Ein Solikonzert zu einem wichtigen Anlass.
Es soll Geld gesammelt werden für antifaschistische Arbeit in Brandenburg. Da finden am Sonntag die letzten Landtagswahlen dieses Jahr statt. Weitere Wahlen, bei denen wir fürchten müssen, dass die Faschos wieder punkten. Bei denen vor allem die Leute vor Ort, die widersprechen, die anders denken und sind, sich fürchten müssen. Dass man da ein Zeichen dagegen setzen muss – auch wenn es diesmal nur aus dem ohnehin links-grün-versifften Berlin kommt – da sind wir uns einig. Dass da geile Musiker:innen auftreten, hatte die Motivation nur verstärkt. Und dennoch sind wir eben zu spät. Weil wir uns schon wieder eine Wohnung angeschaut hatten in der Hoffnung, bald nicht mehr auf der Couch von Freunden schlafen zu müssen, nur um uns danach mal wieder drüber aufzuregen, wie scheiße die Wohnungssituation in dieser Stadt ist.
Aber egal. Jetzt sind wir hier. Der Vollmond leuchtet blutrot hinter uns. „Falls ihr noch was spenden wollt“, sagt der Typ an der Kasse und hält uns eine blecherne Spardose hin, auf der jede Menge Antifa-Sticker kleben. Ich zögere, schließlich bräuchte ich noch ein paar meiner Münzen für ein Bier da drinnen. „Das sind die Richtigen“, sagt der Typ. „Erst saufen und dann schauen, ob noch was zum Spenden übrig ist.“ Ich krame ein paar Euro aus meiner Tasche, du wirfst auch noch ein bisschen Metal rein und er nickt zufrieden.
Wir betreten endlich den Innenhof. Es ist voll und laut und die Stimmung unglaublich gut. Ich ärgere mich sofort, dass wir zu spät sind. Dass wir damit auch den Saufpop der Leipziger Bierbabes verpasst haben. Mit ikonischen Texten wie „morgens Ibu, abends Teile“. Der nächste Act steht schon auf der Bühne: Finna. Lauter Leute bewegen sich zum Beat, feiern die wütenden Texte der Hamburger Rapperin. Queerfeminist Badass, genau das ist sie. Die Mittelfinger gehen in die Luft gegen vertrackte Körpernormen, gegen Hass und gegen Diskriminierung. „Ich lass alles brennen, weil mein Herz brennt“, singt sie ins Mikro und man spürt, dass sie es selbst spürt. Es geht um psychische Probleme und Empowerment. Um Stärke, Wut und Liebe. Am Ende ist sie selbst überwältigt vom begeisterten Publikum, hat Tränen in den Augen. „Die ist richtig gut“, sagst sogar du, obwohl du eigentlich keinen Rap magst. Finnas Auftritt endet mit Herzen und Zugabe-Rufen. Doch der Zeitplan im Blank ist strikt getaktet. Der nächste Act muss aufbauen. Also holen wir uns was zu trinken.
„Nie wieder Deutschland“ liest du. Es steht da in riesigen Steinlettern mitten im Hof. Du setzt dich aufs N, ich aufs A. Wir trinken Bier, drehen uns eine Tüte und träumen davon, wie die Welt sein könnte, wenn sie immer so wäre wie hier gerade. Lauter Leute, die die Faschos am liebsten nicht in „ihrem“ Land hätten, denke ich mir, die ihnen hoffentlich sogar Angst machen. Sie werden uns schwer wegbekommen.
Dann kommen Acht Eimer Hühnerherzen auf die Bühne. Mit ihrer charakteristischen roten Flagge mit den angebissenen Hühnerherz-Icon. Nylonsaitenpunk nennen sie ihre Mukke. Apocalypse Vega trägt die charakteristische Sonnenbrille, die sie scheinbar niemals abnimmt und trägt die Lieder vor, für die man die Band kennt: „Mit deiner Wut auf der Straße/ schlägst du mir mitten ins Gesicht“ und „Das macht Spaß, Mittelmaß/ Das macht Spaß mit dir im Gras“. Entspannt, intelligent, und doch punkig. Johnny Bottrop muss irgendwann doch seine Schirmmütze abziehen, weil es sonst die Saiten auf seinem Bass nicht trifft. Bene Diktator an den Drums bestätigt wiederholt, dass er ein echt guter Schlagzeuger ist. Gegen 22 Uhr ist dann leider Schluss, obwohl doch gerne alle mehr gehört hätten. Wir sind eben immer noch in Deutschland.
Am Sonntagabend schaltest du das Radio an: „Ersten Hochrechnungen zufolge führt die Brandenburger SPD bei der Landtagswahl knapp vor der AfD. Die Grünen bangen um den Einzug ins Parlament in Potsdam.“ Später wissen wir: Sie schaffen es nicht und die AfD erreicht die Sperrminorität. Sollen wir uns freuen? Für einen knappen Sieg der SPD? Es wird sicherlich nicht das letzte Solikonzert gewesen sein, auf das wir gegangen sind. Nächstes Mal vielleicht pünktlich.
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