Wegen Betrugs in China: Behörde verweigert CO2-Zertifikate

Bei acht Klimaschutz-Projekten in China hat das Umweltbundesamt „Unregelmäßigkeiten“ nachgewiesen. Auch deutsche Konzerne sollen involviert sein.

Glasfront mit Schritzug "Umweltbundesamt", in der sich die Umgebung spiegelt

Das Umweltbundesamt bei acht von 69 Projekten „Unregelmäßigkeiten“ nachgewiesen Foto: picture alliance/dpa | Hendrik Schmidt

Berlin/Dessau-Roßlau dpa | In der Affäre um mutmaßliche Betrugsfälle in China hat das Umweltbundesamt deutschen Konzernen die Ausstellung von Klima-Zertifikaten verweigert. Es gehe dabei um acht Klimaschutz-Projekte in China, bei denen Unregelmäßigkeiten nachgewiesen worden seien, erklärte die Behörde am Freitag. Die acht verweigerten Zertifikate entsprächen einer Einsparung von 215.000 Tonnen Kohlenstoffdioxid, die sich die Konzerne ursprünglich auf ihre Klimabilanz anrechnen lassen wollten.

Hintergrund der Maßnahmen, die das Umweltbundesamt (UBA) ergreift, ist ein im Juni bekannt gewordenes Betrugsgeflecht, in das deutsche Mineralölkonzerne involviert sein sollen. Genauere Angaben zu den Unternehmen könne das UBA aus juristischen Gründen nicht machen, sagte ein Sprecher der dpa.

Bei sieben der acht Projekte sind nach Angaben des Amts die Anträge auf Freischaltung von Zertifikaten zurückgezogen worden, weil es „gravierende rechtliche und technische Ungereimtheiten“ gegeben habe. Ein weiteres Projekt erhalte kein Zertifikat, da es entgegen der Regeln „vorzeitig begonnen“ worden sei.

Neben eigenen Ermittlungen und den Ermittlungen der Berliner Staatsanwaltschaft habe die Behörde auch eine internationale Anwaltskanzlei eingeschaltet, um die mutmaßlichen Betrugsfälle aufzuklären. Diese sei auch in China vor Ort aktiv, erklärte das UBA weiter. Im nächsten Schritt würden 13 weitere Projekte unter die Lupe genommen.

Insgesamt stehen nach UBA-Angaben 40 von 69 China-Projekten unter Betrugsverdacht. Weitere Projekte wird es vorerst nicht geben: Bundesumweltministerin Lemke hatte angesichts der Verdachtsfälle alle Neuanträge mit Wirkung zum 1. Juli stoppen lassen.

Konzerne lassen sich falsche Klima-Bilanz anrechnen

Den bisherigen Erkenntnissen zufolge ließen sich die Konzerne im Rahmen dubioser Klima-Projekte in China wohl Beiträge auf ihre CO2-Bilanzen anrechnen, ohne dass es bei diesen Projekten zur tatsächlichen Reduktion von Treibhausgasen gekommen wäre. Teilweise hätten die Projekte gar nicht existiert, teilweise habe die angegebene CO2-Reduktion nicht mit der realen Einsparung übereingestimmt, hieß es.

Ermöglicht wurde der Betrug durch einen Mechanismus, der es Mineralöl-Konzernen in Deutschland erlaubt, mithilfe von Klimaschutzprojekten in China gesetzlich vorgegebene Klimaziele zu erreichen. Sie können also Projekte, bei denen im Öl-Sektor Emissionen reduziert werden, finanzieren, und bekommen sie bei Anerkennung entsprechender Zertifikate für ihre Klimabilanz in Deutschland gutgeschrieben.

Diese „Upstream Emission Reduction“-Projekte (UER) werden dann auf die sogenannte Treibhausgasminderungsquote im Verkehr angerechnet. Die Konzerne sparen auch Geld, indem sie die Quote einhalten.

Hürden bei Aufklärung in China

Zuständig für die finale Freischaltung der Zertifikate ist das Umweltbundesamt. Die Behörde betonte erneut, dass es oft kaum möglich sei, aus der Ferne und auf Basis von Satellitenbildern oder eingereichter Berichte Missbrauch aufzuklären und nachzuweisen. Auch deshalb sei die internationale Anwaltskanzlei eingeschaltet worden.

Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne) hatte vor einigen Wochen von „schwerer Umweltkriminalität“ gesprochen und umfassende Aufklärung zugesagt. Das UBA suspendierte kurze Zeit später einen seiner für den Bereich zuständigen Mitarbeiter.

Mitte Juli kam es im Auftrag der Berliner Staatsanwaltschaft in Bayern und Nordrhein-Westfalen zu Durchsuchungen bei Unternehmen, die auf die Erstellung von Umweltgutachten spezialisiert sind – unter anderem zu den umstrittenen Zertifikaten. Ermittelt werde gegen 17 Personen wegen des Verdachts des gemeinschaftlichen gewerbsmäßigen Betruges, hieß es.

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