die dritte meinung
: Auch wenn’s weh tut: In Branden­burg sollte man taktisch gegen die AfD wählen, meint Tristan Runge

Ich hasse taktisches Wählen. Wenig ist uninspirierender, nichts fühlt sich weniger nach demokratischer Mitbestimmung an. Ich möchte meine Stimme nutzen, um Veränderung zu bewirken – gerade angesichts des aktuellen gesellschaftlichen Rechtsrucks. Wir brauchen dringend wieder eine große Vision, die Menschen für progressive Politik begeistert.

Wir wissen aber auch: Bei jeder Landtagswahl, bei der die AfD über 33 Prozent holt, erreicht sie eine Sperrminorität im Parlament und kann politische Entscheidungen erzwingen. Es ist daher notwendig, die Stimme bei der Wahl in Brandenburg so abzugeben, um das zu verhindern.

Ich komme aus Sachsen und kann jeden Tag selbst erleben, wie die Erfolge der AfD rechtsextreme Strukturen stärken. Als ich 16 war, hieß es in einem lokalen Telegramkanal: „Was, wenn auf das Haus von Runge ein Brandanschlag verübt würde?“ Das macht Angst. Und die neue Normalität verbaler und körperlicher Angriffe hält viele davon ab, sich demokratisch zu engagieren.

Wir haben taktisch-wählen.de gegründet und Datenanalysen durchgeführt, um Wahlempfehlungen aussprechen zu können: Je­de*r kann checken, wer im eigenen Wahlkreis die besten Chancen gegen die AfD hat. So lässt sich in vielen Fällen ein Wahlerfolg der AfD und damit hoffentlich eine Sperrminorität verhindern.

Ich würde mir wünschen, nicht taktisch wählen zu müssen. Aber während rechtsextreme Parteien stärker werden und progressive Parteien um den Einzug in den Brandenburger Landtag bangen, ist es leider notwendig.

Tristan Runge

ist Aktivist bei Fridays for Future. Mit 16 Jahren hat er das Land Sachsen wegen mangelnden Klimaschutzes verklagt. Für die diesjährigen Landtagswahlen in Ostdeutschland hat er mit anderen Ak­tivis­t*in­nen die Plattform taktisch-wählen.de ins Leben gerufen.

Dabei ist klar: Es gibt sie, die Demokratinnen und Demokraten. Knapp 70 Prozent haben in Sachsen und Thüringen entsprechend gewählt – eine überwältigende Mehrheit. Diese gilt es, sichtbar zu machen. Unser Ziel muss sein, dass in fünf Jahren niemand mehr taktisch wählen muss, dass sich die Frage nach der AfD als stärkste Kraft nicht mehr stellt.

Wer zukünftig aus Überzeugung wählen will, muss bei dieser Wahl taktisch wählen – aber richtig.