Tempo 30 in Berlin: Die Geduld ist am Limit

Die CDU-geführte Verkehrsverwaltung sägt weiter an geltenden Tempo-30-Anordnungen. Diesmal gibt es aber selbst von der SPD Gegenwind.

Stapel von Tempo-30-Schildern

Können die weg? Kann schon sein, meint die Berliner Verkehrsverwaltung Foto: IMAGO / Wolfgang Maria Weber

BERLIN taz | Mit ungewöhnlich scharfen Worten hat die SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus den Umgang der CDU-geführten Senatsverkehrsverwaltung mit Tempo 30 kritisiert. In einer „Schluss mit Schnellschüssen – für eine seriöse Berliner Verkehrspolitik“ überschriebenen Mitteilung spricht der verkehrspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Tino Schopf, von „rechtlich äußerst dünnem Eis“, auf das sich die Koalitionspartnerin bei diesem Thema gerade begebe.

„Wer“, so Schopf, „ernsthaft Tempo-30-Zonen vor Kindergärten, Schulen und Senioreneinrichtungen infrage stellt und den ‚qualifizierten Nachweis einer Gefahrenlage‘ für den Erhalt oder die Neuanordnung fordert, der handelt eindeutig nicht im Sinne der Berlinerinnen und Berliner.“

Hintergrund ist ein internes Papier der Verkehrsverwaltung, über das der Tagesspiegel berichtet hatte. Diese „Arbeitshilfe“ gibt vor, wie zeitlich befristete Tempo-30-Anordnungen auf Hauptverkehrsstraßen auf den Prüfstand zu stellen sind. Straßenabschnitte, auf denen beispielsweise vor Schulen zwischen 6 und 19 Uhr nur mit 30 km/h gefahren werden darf, gibt es zu Hunderten in Berlin.

Das Papier empfehle, diese Abschnitte zu überprüfen, wenn es dazu Hinweise von BürgerInnen oder Nachfragen von Abgeordneten gebe. Am Ende einer solchen Prüfung könnten die Aufhebung von Tempo 30, aber auch die Verkürzung der Strecke oder der Geltungsdauer stehen. Dabei gehen die AutorInnen der „Arbeitshilfe“ laut dem Bericht davon aus, dass das Tempolimit vor Schulen eher zu erhalten ist – es sei denn, es handele sich um solche mit älteren SchülerInnen wie Berufsschulen und Oberstufenzentren.

Mehr Erfolg haben offenbar Beschwerden von Tempo-50-Liebhabern vor Krankenhäusern, Altenheimen und Kitas, zumindest dort, wo schon „ausreichende verkehrssichernde Maßnahmen“ vorhanden sind. Gemeint sind damit unter anderem Zebrastreifen und Mittelinseln. Bei Kitas müsse zudem eine „qualifizierte Gefahrenlage“ nachgewiesen werden.

Entgegen der Vision Zero

Wer das tue, so Tino Schopf, handele „eindeutig nicht im Sinne der Berlinerinnen und Berliner. Keine Mutter und kein Vater möchte, dass mit 50 Sachen an der Kita des eigenen Kindes vorbeigerauscht werden darf.“ Die CDU und ihre Senatorin handeln damit entgegen dem im schwarz-roten Koalitionsvertrag bestätigten Bekenntnis zur „Vision Zero“, aber auch entgegen der Flexibilisierung der Straßenverkehrsordnung. Die erleichtert es Kommunen seit der letzten Novelle, Tempo 30 anzuordnen – was der Senat im Bundesrat mittrug.

Als „zynisch und menschenverachtend“ bezeichneten derweil die verkehrspolitischen Sprecherinnen der Grünen-Fraktion, Antje Kapek und Oda Hassepaß, den Vorstoß der Senatsverwaltung. Se­nio­r*in­nen und Fuß­gän­ge­r*in­nen seien in Berlin die Hauptunfallgruppe. „Dass nun gerade vor Senioreneinrichtungen kein Tempo 30 mehr gelten soll, zeigt den ganzen Zynismus dieser autozentrierten Verkehrspolitik.“

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