berliner szenen: Techno für den Schwindel
Ich sitze in der Kabine vor dem MRT und denke über lustige Wortspiele nach. Dusel oder den Dreh raushaben, im Taumel leben, aber am besten gefällt mir: Ich drehe frei. Na gut, nicht ich, sondern die Welt um mich herum. Das macht es aber nicht besser, und schließlich ist alles nur eine Frage der Perspektive.
„Ich habe nie Schlimmeres erlebt“, erzähle ich Freundinnen, „stellt euch vor, ihr fahrt vier Tage betrunken Kettenkarussel und es gibt kein Entkommen.“ Bald ist klar, der Drehschwindel stammt von einer Entzündung im Innenohr, die sich auf das Gleichgewichtsorgan gelegt hat, und ich muss zur weiteren Abklärung ins MRT. Es ist mein erstes.
Die Kabinentür öffnet sich. Der Radiologe trägt einen hellblauen Anzug und streicht sich beim Sprechen mit der Hand über die Glatze. Seine Augen sind braun. Er positioniert mich in der Röhre fast entschuldigend mit einem Gitter über dem Kopf, gibt mir einen Notfallschalter in die Hand und setzt mir Kopfhörer auf. „Einfach genießen“, sagt er und zwinkert. Dann geht es los. Ich atme tief, kneife die Augen zu und lausche dem ohrenbetäubenden metallischem Hämmern des Geräts. Atmen, denke ich und finde, es klingt wie Techno. Eine Sequenz gefällt mir. Danach wird es minimalistisch. Ich stelle mir vor, wie ich tanze. Dong, dong, dong. Atmen. Ich überlege, ob sich mein Leben nach dieser Bildgebung auf den Kopf stellen wird. Atmen. Dong, dong, dong.
Dann ist es vorbei. Der Radiologe nimmt das Gitter ab: „Wie Musik, oder?“ Ich nicke. „Hab dauernd DJs hier, die den Sound aufnehmen wollen.“ Ich sehe ihn an. „Sieht alles gut aus“, sagt er dann. „Der Befund kommt in zwei Tagen.“ In der Kabine muss ich vor Erleichterung heulen. Aber als ich mit meinem Sohn das Gebäude verlasse, ist mir nach Tanzen zumute. Tanzen, bis mir schwindelig wird. Isobel Markus
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