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Selbst verursachter Super-GAU

betr.: „Sieg für NRW-CDU“, taz vom 23. 5. 05

Wie sieht der Sieg denn aus: Für die CDU sind fast eine Million wahlberechtigte BürgerInnen mehr zur Wahl gegangen als vor fünf Jahren, das ist zweifellos ein Erfolg, 983.630 BürgerInnen mehr, die sich entschieden haben, die CDU zu wählen. Glückwunsch an die CDU. Aber auch damit waren es dann doch noch nicht mehr als beinahe 28 Prozent der Wahlberechtigten in NRW, die die CDU gewählt haben (2000 waren es 20 Prozent).

Mehr als ein Drittel der Wahlberechtigten, mehr als 4,9 Millionen, sind nicht hingegangen. Es ist anzunehmen, dass die Mehrzahl von ihnen immer noch die Schnauze voll hat von allen sich anbietenden Politikern und ihren Leistungen. Dass die SPD ihr Rekordtief vom 14. Mai 2000, als es darum ging, Herrn Clement zu wählen, noch einmal übertraf, lag sicher zu einem großen Teil immer noch mehr an Herrn Clement und seinen Künsten als an Herrn Steinbrück.

Wenigstens die taz sollte in ihrer Berichterstattung die Nichtwähler nicht ignorieren. Deren große Zahl zeigt etwas auf über den Zustand unserer „wehrhaften Demokratie“.

JÜRGEN BUSCH, Hamburg

Nach neununddreißig Jahren wird es in Düsseldorf einen kleinen Aufschwung geben: für Umzugsunternehmen. So einfach kann das gehen – mit dem wirtschaftlichen Wachstum. Das große Aus- und Einräumen kann beginnen: alles fliegt raus, Bilder, Polster, Schreibtische etc. Als Konstanten werden in den Gebäuden wohl nur die Kloschüsseln bleiben: ihnen dürfte es aber egal sein, welche Ärsche sie anscheißen! DIETER DRABINIOK, Saarbrücken

betr.: „Schröder will Kanzler bleiben“ (vorgezogene Bundestagswahl), taz vom 23. 5. 05

Klingt ganz vernünftig, was der Kanzler da ankündigt – Neuwahl des Bundestages im Herbst dieses Jahres. Jedenfalls auf den ersten Blick. Genauer betrachtet fragt sich aber: Wen oder was soll ich denn noch wählen? Die CDU/CSU/FDP hat in 16 Jahren Regierung die Reformen vor sich her geschoben, weil sie genau davor Angst hatte, wofür die SPD/Grünen heute abgewatscht wurden: Reformen auf Kosten der Armen, Arbeiter und Angestellten durchzuziehen. Schulden machen sie alle. Ihr Schäfchen ins Trockene bringen auch alle. Und dann noch die Frage, was die Neuwahlen wieder kosten: 1. Organisation, 2. Wahlkampf, 3. Zwangspensionierung von Regierungsangestellten mit horrenden Abfindungen.

Früher konnte man wenigstens noch ein „kleineres Übel“ wählen. Heute wird man gezwungen, die Wahlkabine zu betreten, den Wahlzettel ungültig zu kennzeichnen und dann protestzuwählen.

ELISABETH RÖNISCH, Berlin

… es hat sich also ausgeschrödert. Ab heute wird der kahlschlagverdächtige rot-grüne Beschnittabfall aller zarten Triebe entschlossen geschröddert. Gut so. Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende. Alles, was danach kommt, ist das Ende vom Anfang, der nie stattgefunden hat. Weg damit! Ab jetzt heißt es: Überwintern, hungern, frieren, ohne dabei zu krepieren. Dazu noch: Nazis von der Macht fern halten. Tolle Aussichten! ERNST FALL, Rendsburg

Grausam, warum wählen die Leute diejenigen, die soziale Härten noch maximieren. Das ist die nackte Angst und wird eines Tages einem Karismatischen Tür und Tor öffnen, der dann die Demokratie beendet. Die Situation ist brandgefährlich.

MARGIT HUTTER, Offenbach

Der selbst verursachte Super-GAU: Verrat an den Wählern, die auf Bundesebene Rot-Grün gewählt haben, peinliche Feigheit, sogar Verfassungsbruch. Warum ist Schröder nicht gleich zurückgetreten, sodass ein anderer versuchen kann, bis Herbst 2006 etwas Neues aufzubauen? Nach Lafontaines peinlichem Abgang hat Schröder die Linke auf Jahre geschädigt. THOMAS MEYER, München

Was zu erwarten war, ist eingetreten, die wenig überzeugende Bundesregierung hat die letzte selbst regierte Insel an die Koalition der Arroganz („Jeder Tag, an dem Rot-Grün regiert …“) abtreten müssen. Und sie hat die für sie und für alle Vernunftheuchler des Landes richtige Entscheidung angeboten – nämlich die Aufgabe in Form von Neuwahlen!? Doch daraus ergibt sich, dass unser Finanzminister die Kohle (ehemaliger Inbegriff der Arbeiterbewegung – nun besetzt durch Gewinnmaximanden) für die Durchführung der Wahl und die SPD selbig schwarzes Gold für den so genannten Wahlkampf gemeinnützigen Organisationen zukommen lassen sollten. Denn eine Wiederwahl der amtierenden Regierung führt ja nicht aus der Pattsituation heraus, sondern bedeutet eine Fortsetzung der Hängepartie … Frau merke(l!), wie wunderbar sich Schach-Termini zur Beschreibung der Lage eignen – doch hätten wir es endlich als Schulfach, so hätten sie von der alten Schachweisheit gewusst: „Durch Aufgeben ist noch keine Partie gewonnen worden!“

THOMAS RIELING, Wentorf

Gerhard Schröder handelt intelligent. In der offensiven Auseinandersetzung mit ihren Gegnern war die Sozialdemokratie stets am besten. Bislang hat sich die bürgerliche Opposition lediglich hinter Wachstumsphrasen versteckt. Jetzt muss auch sie Farbe bekennen. Dies bietet der SPD eine große Chance. Denn Angela Merkel ist mit ihrer These, dass jede Form von Arbeit sozial sei, keine glaubwürdige Botschafterin der sozialen Marktwirtschaft. Insbesondere christliche Wähler dürfte diese Politik des „heiligen Marktes“ befremden. Die Regierungskoalition kann deshalb gut nach der Devise „Vorfahrt für eine chancengerechte Gesellschaft. Sozial ist, wer Angela Merkel schafft“ in den Wahlkampf ziehen! RASMUS PH. HELT, Hamburg

Wenn die CDU im Herbst 2005 die Bundestagswahlen gewinnt, gibt es den Kapitalismus und die Marktwirtschaft ohne den Zusatz „sozial“. Dann können sich Arbeitnehmer und Arbeitslose noch wärmer anziehen. Ihre Rechte werden radikal abgebaut und wie im 19. Jahrhundert wird dann der Mensch wieder vom Menschen ausgebeutet. Damit die Rendite, der Profit und die Kasse stimmen.

ALBERT ALTEN, Wernigerode

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