berliner szenen: Die Schmerzen der anderen
Schmerz ohne Ende, ohne Ende“, sagt der Taxifahrer. Er bewegt sein rechtes Handgelenk. „Da“, sagt er. Am Anfang bereue ich es, ein Taxi genommen zu haben und vor allem vorne zu sitzen. Der Mann ist groß, es ist eng, und er redet zu viel dafür, dass es 7.30 Uhr ist. Wenn meine Gehstützen nicht zwischen uns als Grenze dienen würden, würde er mir auf die Schulter klopfen. Das bilde ich mir ein, als er von einem Straßenfest im Reuterkiez erzählt und sagt: „Kommen Sie, es wird schön! Musik, Essen …“ Weil ich nicht antworte, zeigt er auf die Schiene, die ich um mein rechtes Bein trage, und fragt, was passiert sei.
„Vom Rad gefallen“, antworte ich. „Uh“, sagt er und beginnt, von seinen Schmerzen zu erzählen. Damals arbeitete er auf dem Bau mit schweren Maschinen und hatte auf einmal diesen Stich im Handgelenk. Tagsüber habe er sich eine Salbe geholt und gut war’s. Aber abends: „Schmerz ohne Ende.“ Wir sind fast an unserem Ziel am Potsdamer Platz, wo ich meinen MRT-Termin habe. „Und jetzt?“, frage ich. „Auto fahren, nie wieder Baustelle“, lautet die Antwort.
Da ich noch Zeit habe, fährt er mich bis zu einem Café in der Nähe. Danach irre ich durch die Alte Potsdamer Straße und merke, dass ich nie dort bin, außer zur Berlinale, wenn die Bäume noch mit Lichterketten dekoriert sind und ich von Kino zu Kino eile. Gerade ist alles anders: Die Gegend ist leer, und ich komme nur langsam voran. Vier Tage nach dem Unfall kann ich mit den Krücken nur schwer laufen. Bei meinen häufigen Pausen sprechen mich immer wieder Leute an. Sie wünschen mir gute Besserung oder, wie der Taxifahrer, berichten von ihren eigenen Unfällen. So tut es ebenso ein Security-Mann, der mich bis zum Radiologie-Zentrum begleitet. Ich seufze. „Alles wird gut“, sagt er und hält die Tür für mich auf.
Luciana Ferrando
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