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wortwechselSie sind so krank, wie wir es schreiben, herzlich Ihre ePA

Steigert die elektronische Patientenakte (ePA) die Behandlungsqualität für PatientInnen – oder die Kassen? Wer liest mit? Ärztegeheimnis a. D.? Wie gesund ist das Datensystem?

Bald ganz auf der Höhe der Zeit mit Stethoskop, Tablet – und ePA. Aber wie viel Zeit darf diese freundliche Ärztin im Krankenhaus für ihre Patientin einplanen? Foto: Joseffson/imago

„Digitale Patientenakte: Schweigen oder widersprechen? Die Krankenkassen werben für die elektronische Patientenakte und weisen auf die Widerspruchsmöglichkeit hin“, taz vom 9. 9. 24

Nicht meine Akte …

Zu den Nachteilen der elektronischen Patientenakte schreibe ich als niedergelassener Arzt: wir Ärzte müssen oft übertriebene Diagnosenverschlüsselung eintragen, um bestimmte Leistungen abrechnen zu dürfen. Das führt zum Beispiel dazu, dass eine Depression verschlüsselt wird, um ein längeres beratendes Gespräch mit dem Patienten abrechnen zu dürfen. Diese fast schon als Betrug zu wertenden Abrechnungshilfen beziehungsweise Verschlüsselungen sind leider häufig! Zusammen mit dem Präfix „Verdacht auf“ ergibt das seitenlange Scheindiagnosen, die in der Patientenakte unendlich anwachsen. Ich selbst werde deshalb keine Patientenakte für mich befürworten.

Uwe Brinkmann, Oelde

Die ePA hat nur Vorteile für die Krankenkassen und für den weiteren Einstieg in den gläsernen Menschen. Also unbedingt widersprechen. Das ist ein weiterer Baustein der Digitalisierung, hin zur totalen Überwachung. Das klingt vielleicht absurd, aber Gesetze lassen sich schnell ändern, wenn zum Beispiel Parteien wie die AfD an die Macht kommen. AfD-Politiker sprechen schon heute über Behinderte als unwertes Leben. Mit einem Mausklick und einer kurzen Suche hat man sehr, sehr schnell die bundesweite Liste – zum Beispiel aller psychisch Kranken. Was da alles möglich ist, kann man sich heute kaum vorstellen.

Name ist der Redaktion bekannt

Nur „German Angst“?

Ich hab das Folgende mal als Kommentar zu „Street View“ gefunden, Thema „German Angst“: „Das führt zu folgender Ironie: Google fährt mit Kameraautos durch die Straßen, und plötzlich ist die Frage da, ob auch alle Gesichter konsequent und ordentlich unkenntlich gemacht werden. Parallel dazu fotografieren unzählige Menschen an allen erdenklichen Orten mit ihrem Smartphone durch die Gegend und laden diese Bilder bei Onlineplattformen hoch, die über Gesichtserkennung verfügen.“ Und … es passiert … nichts. Thomas Böttcher auf taz.de

Wie war das mit der fehlenden Digitalisierung in Deutschland? Auf der einen Seite wird das stark bemängelt und auf der anderen Seite kommt dann wieder „the German Angst“. Da braucht man sich nicht zu wundern, dass wir immer weiter zurückfallen. Natürlich sind Gesundheitsdaten etwas anderes als Daten zur Wohnung oder zum Kraftfahrzeug. Aber mit entsprechender Verschlüsselung geht’s. Bei der Steuererklärung funktioniert es ja auch – und diese Daten sind sicher nicht weniger kritisch als Gesundheitsdaten. Der Cleo Patra auf taz.de

@Der Cleo Patra Ich wünschte, Sie hätten recht, aber Digitalprojekte in Deutschland setzen leider die Sicherheit der Daten absolut nie als Priorität. Die Qualität der Programmierung und damit die Sicherheit gegen Hacker ist oft absolut miserabel. Ich wünschte, es gäbe eine Chance auf eine sichere ePA in Deutschland, aber so wird sie dafür sorgen, dass die Krankenkassen besser Kunden mit Vorerkrankungen aussortieren, Forscher auch die Daten de-anonymisieren können – und die Daten regelmäßig durch Hacker aus den Servern rausgetragen und zum Kauf angeboten werden können. Wie in einigen Ländern schon passiert.

Wäre das alles extrem unwahrscheinlich, wäre ich für die ePA. Leider ist es aber derzeit extrem wahrscheinlich.

Pernikus auf taz.de

@Der Cleo Patra Die Erfahrung zeigt, dass Leute, die den plumpen Begriff „German Angst“ verwenden, viele Vorurteile besitzen, dagegen wenig Erfahrung mit anderen Ländern. Tatsächlich sind die Vorbehalte bezüglich Datenschutz, Sicherheit und Diskriminierung international und nicht spezifisch deutsch – und vor allem auch nicht nur eingebildet!

Tazzy auf taz.de

Medikamentenplan?

„Der Medikationsplan soll verhindern, dass unterschiedliche Ärz­t:in­nen Medikamente verordnen, die zu Wechselwirkungen führen können.“ Dazu braucht man aber keine ePA. Eine vollständige (!) Medikamentenanamnese nicht zu erheben, ist auch jetzt schon ein Behandlungsfehler, was nicht ausschließt, dass er regelmäßig begangen wird. Bislang hat die Industrie noch kein funktionsfähiges Modell vorgestellt. Laut Ärzteblatt soll es eine Pilotphase in Modellregionen bis 15. 2. 25 geben. Wer das Desaster der Apobank-Softwareumstellung 2020 mitbekommen hat, weiß: Gesundheit und EDV gehören nicht unbedingt zusammen. Es geht darum, dass Gesundheitsdaten patientenzentriert verwaltet und verwendet werden müssen. Hans-Friedrich Bär auf taz.de

Ein zentraler Server?

Das Hauptproblem benennt der Artikel nicht: Ursprünglich sollte die Akte beim Hausarzt und auf einem Medium in der Hand des Patienten liegen. Das wollte ich haben und habe mehrfach gefragt, wo es so lange bleibt. Meine wichtigsten Daten liegen auch in einer Notfallapp auf meinem Smartphone. Da kann sie jeder einsehen, der mein, auch gesperrtes, Gerät in der Hand hält. Das ist der Zweck. Für lohnenden Missbrauch müsste ein Angreifer hunderte und tausende Telefone einzeln auslesen. Bei der ePA liegt aber alles auf einem zentralen Server. Bei einer derart wertvollen Beute ist nicht die Frage ob, sondern nur, wann sie in kriminelle Hände fällt. Diese Lösung werde ich verweigern müssen. Axel Berger auf taz.de

@Axel Berger Die Frage ist, wann der Gesetzgeber dem Missbrauch der Daten Tür und Tor öffnet! Die ePA hat unbestreitbar große Vorteile. Leider hat man im „Schaffensprozess“ so viele Nachteile für die Patienten eingebaut, dass diese Vorteile aufgefressen werden: Lobbygezerre, Interessenkonflikte, Unwahrheiten und natürlich Geschachere, Geschmäckle und Geldgeschiebe. Bolzkopf auf taz.de

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