piwik no script img

Zu koreanischem Pop tanzen lernenHände, die ein Herz formen

Choreografien von Blackpink, Le Sserafim oder Evnne in Hamburg: Bei Seoul Station lernen Kinder und Jugendliche die Schritte des K-Pop.

Ein typisches Fan-Event: An einem öffentlichen Ort wird K-Pop gespielt. Alle, die die Choreografie kennen, tanzen spontan mit Foto: Andreas Arnold/dpa

G espannte Elternaugenpaare schauen von draußen in das Tanzstudio „Seoul Station“. Von drinnen zufriedenes Lachen. Kurz darauf springen lauter etwa zehnjährige Kids auf den Gehsteig der Wandsbeker Chaussee in Hamburg-Eilbek. Ankommende Jugendliche für die nächste Stunde schieben sich schüchtern und leise vorbei.

Die Seoul Station möchte mehr als eine Tanzschule sein. Als einen „Ort für die Community“ habe sich die Schule gegründet, sagt Studiomanagerin Zoe. Denn alle, die herkommen, teilen eines: ihre Liebe zum K-Pop, also zu südkoreanischer Popmusik. Bekannt wurde sie 2012 mit „Gangnam Style“, in dem Rapper Psy auf einem Luftpferd galoppiert. Fast alle Jugendlichen haben heute auch von anderen Gruppen wie BTS oder Blackpink gehört.

Die K-Pop-Liebe sei mal mehr, mal weniger stark, sagt Trainerin Sarah, einige kämen nur um des Tanzens willen in den Saal. „Es geben nicht alle ihr Leben für K-Pop“, sagt sie lachend. Eine Schülerin hat mitgehört und widerspricht lautlos mit starrem Blick und mechanischem Nicken, so als wollte sie sagen: „Doch, ich schon.“

Der K-Pop ist eine Welt, die anfällig ist für Idealisierung: Menschen, die nicht nur normperfekt aussehen, sondern übernormperfekt performen, singen und tanzen. Kein Wunder, dass dem nachgeeifert werden will. Ein wesentlicher Teil des K-Pop-Fan-Daseins besteht allerdings nicht darin, sich wie die Stars Schönheitsoperationen zu unterziehen, sondern einfach darin, die Choreografien zu erlernen.

Im K-Pop werden die Tänze direkt zusammen mit der Musik produziert, aufgenommen und veröffentlicht. Eine Person, die gerade singt, steht für wenige Sekunden im Mittelpunkt, dann die nächste – während die Gruppe ultrasynchron und schnell weitertanzt. Dabei fließen Tanzstile wie Afro, Hip-Hop und Commercial ein.

So nett wie die Tanzschule geht die K-Pop-Industrie mit ihren Stars und Sternchen nicht um: Diese müssen sich teilweise problematische Eingriffe in ihre Privatsphäre gefallen lassen, wenn sie dabei sein wollen.

Eine Schülerin bei Seoul Station fand während der Pandemie Zuflucht vor Familienstreit im K-Pop. Über Youtube brachte sie sich die ersten Choreografien bei, so fangen viele an. Bei K-Pop-Events kann man die Tänze dann präsentieren oder andere Fans treffen. Zum Beispiel hier im Tanzstudio, wo die Schritte der Gruppenchoreografien beigebracht werden.

Die Pause zwischen den Unterrichtsstunden zieht sich. Die 13- bis 24-Jährigen warten auf der breiten grauen Sitzfläche vor der blickdicht abgeklebten Fensterfront im Studio darauf, dass es losgeht. Ihr Schweigen breitet sich im Saal aus, die vorgezogenen Schultern und runden Rücken zeugen von Unsicherheit.

Fast erleichtert stellen sich die zwölf Personen in drei groben Reihen auf, als die Trainerin startet. Zum Aufwärmen schallt ein Koreanisch-Englisch-Mix, sogar mit spanischen Zeilen, aus den Boxen. Eine Schülerin hört kurz hin, grinst und deutet dann kleine Handbewegungen an. Sie kennt die originale Choreografie zum Lied.

Trainerin Sarah macht vor, die anderen nach. Ein paar Takte der eine, ein paar Takte der nächste Schritt. In der vorderen Reihe sieht das locker-federnd aus, je weiter hinten, desto holprig-verkrampfter wird es. Die meisten bringen Tanzerfahrung mit, sogar hier im Einstiegskurs. Manche sind sechsmal die Woche beim Training, andere nur einmal.

Ein paar Grad Celsius später geht es ans Dehnen. Viele gestreckte Beine sind ganz locker fast im Spagat, andere zittern beim Versuch. Danach geht es an den Tanz für heute. Trainerin Sarah erklärt, wiederholt, berichtigt Schritt um Schritt. Was sie vorher als an­fän­ge­r*in­nen­freund­lich bezeichnete, ist dann doch „einfach sehr schnell“.

Daher tanzt die Gruppe erst zu verzerrter Musik, die mit 75-prozentiger Geschwindigkeit abgespielt wird. Am Schluss: dreimal in originaler Geschwindigkeit tanzen. Einige hetzen durch die Choreografie, andere singen nebenbei leicht mit. „Badder Love“, schallt es durch den Saal, während die Hände ein umständliches Herz formen.

Heute gab es kein gemeinsames Tanzvideo, trotzdem bleibt niemand unentdeckt. Hier lernen die Tanzenden, sich zu zeigen, vor anderen und vor sich selbst.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!