Historiker über Spionagetiere: „Besser als jede moderne Technik“

Hvaldimir ist tot. Als er 2019 in Norwegen auftauchte, hieß es, er sei von den Russen geschickt. Florian Schimikowski erklärt, ob und wie Tiere spionieren können.

Weisser Belugawal mit einem Halsband

Da lebte er noch: Hvaldimir im Jahr 2019 Foto: Jorgen Ree Wiig/Sea Surveillance via reuters

Eine traurige Nachricht erreichte uns aus Norwegen: Am vergangenen Samstag wurde der Belugawal Hvaldimir tot aufgefunden. 2019 tauchte der Meeressäuger in norwegischen Gewässern auf, und weil er eine Kamerahalterung mit der Aufschrift „Equipment St. Petersburg“ trug, gab es schnell Gerüchte, dass es sich um einen russischen Spionagewal handeln könnte. Von russischer Seite wurde das nie dementiert.

geboren 1978, arbeitet als Historiker und Sammlungsleiter für das Deutsche Spionagemuseum in Berlin.

Hvaldimir – Hval ist norwegisch für „Wal“ – fühlte sich jedenfalls wohl in Norwegen, er streifte die Küste entlang und galt Menschen gegenüber als äußerst zutraulich. Bis zu seinem plötzlichen Tod, zu dem ein schockierendes Obduktionsergebnis vorliegt: Möglicherweise wurde Hvaldimir erschossen. Eine späte Rache des KGB? Wir haben bei einem Experten des Deutschen Spionagemuseums nachgefragt.

taz: Herr Schimikowski, ein Belugawal als russischer Spion – kann das wirklich sein?

Florian Schimikowski: Ja, in der Welt der Spionage ist alles möglich. Tatsächlich trainiert die US-Navy seit den 1960er Jahren mit Meeressäugern, vor allem mit Delfinen und Seelöwen, aber auch mit Robben und verschiedenen Walarten. Und zumindest im Kalten Krieg hatte auch das sowjetische Militär ein ähnliches Programm.

taz: Wie lassen sich Meeressäuger denn sinnvoll für die Spionage einsetzen?

Schimikowski: Vor allem durch ihre Fähigkeit, mit Echoortung Objekte unter Wasser zu finden. Sie können sich im Meer besser orientieren als jede moderne Technik, zudem haben sie eine enorme Ausdauer. Meeressäuger eignen sich für die Suche von Seeminen, die Bewachung von Schiffen oder Häfen und auch für die Bergung von Gegenständen. Aus dem Irakkrieg ist bekannt, dass die US-Navy Delfine zur Minensuche eingesetzt hat.

taz: Sterben dabei nicht auch mal Tiere?

Schimikowski: Dazu haben wir keine Berichte, aber Geheimdienste arbeiten ja geheim, und so etwas würden sie schon aus Imagegründen sicher nicht an die große Glocke hängen. Allerdings werden die Tiere sehr aufwendig von Menschen trainiert, also wird man allein aus finanziellen Gründen darauf achten, dass ihnen möglichst wenig passiert. Grundsätzlich ist es so, dass die Delfine die Minen zunächst finden und die Stelle dann den Menschen anzeigen, beispielsweise mit Rufen oder Bewegungen. Sie schwimmen also nicht gleich runter, um an den Minen rumzufuhrwerken.

taz: Das können dann ja auch die Menschen erledigen!

Schimikowski: Wenn man weiß, wo die Minen sind, kann man sie erst mal mit Kameratechnik untersuchen. Danach und wenn alles sicher ist, kann es durchaus vorkommen, dass die Tiere spezielle Werkzeuge etwa an ihre Schnauze erhalten, mit denen sie die Minen heben können.

Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.

taz: Auch Hvaldimir hat einmal das Handy einer Touristin vom Meeresboden aufgehoben.

Schimikowski: Ja, und er suchte die Nähe zu Menschen, er hatte diese Kamerahalterung um – das heißt, irgendeine Art von Training hat er auf jeden Fall absolviert.

taz: … und zwar vom KGB?

Schimikowski: In diesem Fall gehe ich nicht davon aus, dass es sich um ein Spionagetier handelt. Die meisten trainierten Wale sind ja aber nicht bei Geheimdiensten tätig, sondern in Zoos und Aquarien, und da machen die genau so was: Sachen finden, Sachen herausholen und ähnliche Geschichten. Dazu diese Aufschrift, „Equipment St. Petersburg“ – aus Erfahrung kann man sagen, dass richtige Spionagetechnik in der Regel keinen Rückschluss auf ihre Herkunft zulässt. Da gibt es keine Länderkennung und schon gar keine Labels wie „Made by KGB“ oder Ähnliches.

taz: Gibt es neben den Meeressäugern eigentlich noch andere Spionagetiere?

Schimikowski: Es gibt Einsatzbeispiele von Hunden, Schweinen, Katzen, Tauben, Ratten und sogar Bienen. Eines der berühmtesten Projekte war „Acoustic Kitty“, bei dem die CIA in den 1960er Jahren eine Katze operativ zu einer wandelnden Abhöranlage gemacht hat. Das heißt wirklich: Katze aufgeschnitten, Abhörtechnik reingesetzt und dann sollte die Katze sich zu bestimmten Plätzen hinbewegen. Alles sehr, sehr kompliziert, und man weiß, Katzen sind schwer zu trainieren. Das Ganze hat Millionen gekostet und ist am Ende gescheitert, es hat keine Informationen gebracht.

taz: Aber in anderen Fällen klappt es besser?

Schimikowski: Ja! Generell sind Tiere gut geeignet, die über besondere sensorische Fähigkeiten verfügen. Die CIA und das FBI haben eigene Hundestaffeln, geschulte Hunde können bis zu 19.000 verschiedene Sprengstoffarten unterscheiden – da kommt keine menschengemachte Technik mit. Auch Schweine und Ratten lassen sich in dieser Hinsicht sehr gut ausbilden und kommen weltweit zum Einsatz. Ratten werden außerdem zur Minenräumung eingesetzt, zum Beispiel in den ehemaligen Bürgerkriegsgebieten in Afrika, weil sie den großen Vorteil haben, dass sie mit ihrem leichten Gewicht die Minen nicht auslösen.

taz: Sie erwähnten auch Bienen …

Schimikowski: Tatsächlich lassen sich auch Bienen sehr gut und sehr schnell trainieren, um Minen aufzuspüren. Allerdings hapert es dabei bisher noch beim Einsatz im Freien, weil dort die Ablenkung für die Bienen zu groß ist. Aber es gab Tests, wo man Bienen in so einer Art Handstaubsauger einsetzt, mit dem man zum Beispiel in Flughäfen an die Gepäckstücke herangeht. Wird die Luft eingesaugt, reagieren die Bienen, wenn sie Sprengstoffspuren wahrnehmen. Da sind die Tests noch am Laufen.

taz: Aber dieses „Ein Tier wird zur laufenden Kamera/Mikrofon umgewandelt“, das ist vermutlich die absolute Ausnahme?

Schimikowski: Das ist die Ausnahme. Es gab allerdings lange Zeit ähnliche Versuche mit Tauben. Schon ab dem Ersten Weltkrieg wurden Fotokameras – die für damalige Verhältnisse sehr, sehr klein waren – an Brieftauben befestigt, um so aus der Luft zu spionieren. Da hat auch die CIA später noch im Kalten Krieg mit herumexperimentiert. Das ist natürlich heute obsolet, jetzt ist die Drohnentechnik so weit, dass man keine Tauben mehr braucht. In anderen Bereichen können die Tiere durch ihre Sensorik aber weiterhin sehr hilfreich sein. Generell erkennt man gute Geheimdienste daran, dass sie verschiedene Spionagemethoden, alte genauso wie neue, je nach Einsatzzweck sinnvoll kombinieren.

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