Demokratische Republik Kongo: Aufstand und Chaos in Kinshasa

Revolte und stundenlange Gefechte im und um das Zentralgefängnis der DR Kongo fordern mindestens 129 Tote. Die politische Lage ist angespannt.

Polizeibeamte vor dem Makala-Gefängnis in Kinshasa, nach einem versuchten Gefängnisausbruch in Kongos Hauptgefängnis Foto: Uncredited/AP/dpa

Berlin taz | „Makala“ ist in Kinshasas wichtigster Sprache Lingala das Wort für Holzkohle, und viel mehr ist von Teilen des gleichnamigen Zentralgefängnisses in Kongos Hauptstadt und auch von einigen Insassen nicht mehr übrig, nachdem eine Häftlingsrevolte am Montag niedergeschlagen wurde. 129 Tote lautete am Dienstag die „provisorische Bilanz“ von Innenminister Jacque­main Shabani. 24 davon seien durch „Kugeln nach Warnschüssen“ umgekommen, die anderen durch „Gedrängel“ oder „Ersticken“. Alles sei wieder ruhig.

Das fühlte sich für viele Bewohner der 15-Millionen-Me­tropole Kinshasa am Montag im Morgengrauen anders an, als Schüsse in mehreren Stadtvierteln stundenlang andauerten. Bewohner teilten in verängstigen Botschaften ihre Sorge, was da jetzt wohl los sei. Schwerbewaffnete Sicherheitskräfte zeigten sich später, während die Regierung die Bevölkerung aufrief, „sich nicht zu beunruhigen“.

Nach wenigen Stunden zirkulierten aus dem Gefängnis Horrorbilder von halbnackten toten Männern in großer Zahl, draußen wurden Leichen eingesammelt. Inoffiziell war von mindestens 138 Toten die Rede, private Medien nannten 200.

Das Zentralgefängnis Makala, 1957 errichtet, ist bis heute die einzige zivile Haftanstalt in einer Stadt, deren Bevölkerung heute mit 15 Millionen Einwohnern hundertmal größer ist als damals. Seine 1.500 Haftplätze sind ständig vielfach überbelegt – mit politischen Häftlingen und Straftätern, aber auch Dauergästen in jahrelanger Untersuchungshaft.

Revolte ging von kriminellen Banden aus

Mit Geld und Connections kann man dort überleben, ansonsten ist das schwierig. Berichten zufolge ging die aktuelle Revolte von inhaftierten Angehörigen krimineller Banden aus, gegen die Kongos Staat seit einigen Monaten im Rahmen der „Operation Schwarzer Panther“ verschärft vorgeht. Sie hätten über ihren Gefängnisflügel die Kontrolle übernommen, weitere Häftlinge befreit und die Verwaltungsgebäude verwüstet.

Die stundenlangen Schusswechsel und die vielen Toten deuten darauf hin, dass das nicht alles war. Die politische Lage der Demokratischen Republik Kongo zum Herbstbeginn ist zum Zerreißen gespannt. Im Osten des Landes ist die von Ruanda unterstützte Rebellenarmee M23 (Bewegung des 23. März) auf dem Vormarsch.

In Kinshasa gab es erst am Pfingstsonntag, dem 19. Mai, einen kuriosen Putschversuch, bei dem Bewaffnete verdächtig widerstandslos unter anderem den Amtssitz des Präsidenten besetzten und nach wenigen Stunden verdächtig schnell dingfest gemacht wurden.

Der Prozess gegen die mutmaßlichen Pfingstputschisten vor einem Militärgericht steht kurz vor dem Abschluss. Am vergangenen Dienstag forderte die Militärstaatsanwaltschaft in ihrem Schlussplädoyer die Todesstrafe für 50 der 51 Angeklagten. Am 8. August hatte das Militärgericht in einem parallelen Prozess gegen 26 Anführer der M23-Rebellen und ihres politischen Dachverbandes AFC (Allianz des Kongoflusses), die meisten davon in Abwesenheit, 21 Todesurteile gefällt.

Die beiden Gerichtsverfahren, teils im Fernsehen übertragen, halten seit Wochen Kinshasa in Atem und vertiefen zugleich die politischen Gräben, die die umstrittene Wiederwahl von Kongos Präsident Félix Tshisekedi im Dezember 2023 gezogen hat. Opposition innerhalb der Institutionen findet, anders als in Tshisekedis erster Amtszeit, kaum noch statt.

Führung der Regierungspartei zerstritten

Stattdessen streiten sich Führer der Regierungspartei UDPS (Union für Demokratie und sozialen Fortschritt) in aller Öffentlichkeit. Tshisekedis Vorgänger als Präsident, Joseph Kabila, boykottierte die Wahlen und lebt in Südafrika; sein ehemaliger Wahlkommissionschef Corneille Nangaa leitet den Rebellendachverband AFC.

Am 6. August erklärte Tshisekedi in Belgien in einem Sommerinterview, Kabila „bereitet einen Aufstand vor – er ist die AFC“. Kurz zuvor hatten UDPS-treue Milizionäre versucht, Kabilas Residenz in Kinshasa zu stürmen.

Tshisekedi sieht sich an vorderster Front beim Aufräumen mit dem organisierten staatlichen Diebstahl der Kabila-Ära, und er hat einen Oppositionspolitiker zum Justizminister gemacht, um diesen Kampf auf breite Grundlage zu stellen. Das Ausmaß der Korruption vor seiner Amtszeit sei „unglaublich“, betonte er in dem Interview und kündigte an: „Wir werden die Leichen aus den Kellern holen.“

Kabila holzt zurück. Am 29. August warf die FCC (Gemeinsame Front für Kongo), der Dachverband Kabila-treuer politischer Parteien, der Regierung „Verfolgung“ und „Barbarei“ vor und verlangte die Freilassung aller inhaftierten Oppositionellen, „andernfalls wird die Regierung für alle Dramen verantwortlich gemacht werden“ – eine verdeckte Drohung kurz vor dem Drama von Makala.

Protestantische Kirche bietet Dialog an

Angesichts der Spannungen bot am Sonntag Kongos größte protestantische Kirche ECC (Église du Christ au Congo) an, politischen Dialog zur „Versöhnung der Kongolesen“ zu organisieren. Der Oppositionspolitiker Seth Kikuni, der an dem ECC-Treffen teilnahm, wurde am Montag von Geheimdienstlern verschleppt.

Zugleich gingen Gerüchte um, unter den Toten von Makala könnten inhaftierte Regierungsgegner sein, etwa der ehemalige UDPS-Generalsekretär Jean-Marc Kabund. Er lebt, erklärte am Dienstag seine Partei ACH (Allianz für den Wandel), aber „schwerbewaffnete Militärs sollen seine Zelle umstellt haben“. Die Lage im Gefängnis hat sich offenbar noch nicht beruhigt. In der Politik erst recht nicht.

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