Wirtschaftslage in der EU: Deutschland zieht Europa runter
Zuletzt ging die hiesige Wirtschaftsleistung zurück. Doch befindet sich das Land deswegen schon in einer Rezession?
BERLIN taz | Eine Mitteilung des EU-Statistikamtes Eurostat hatte am Mittwoch Potenzial, kurz für Schrecken zu sorgen: Deutschlands Wirtschaftsleistung in Form des Bruttoinlandsprodukts ist demnach schon vier Quartale in Folge geschrumpft – und nicht erst in den drei Monaten von April bis Juni um 0,1 Prozent zurückgegangen. Letzteres hatte das Statistische Bundesamt gemeldet. Befindet sich Deutschland also in einer handfesten Rezession?
Auf jeden Fall zieht die größte Volkswirtschaft der Europäischen Union die gesamte Staatengemeinschaft hinunter. Diese weist wie die Eurozone immerhin ein Wachstum von 0,3 Prozent auf. Frankreich liegt genau im Schnitt. Italiens Wirtschaft ist immer noch um 0,2 Prozent gewachsen. Spaniens Bruttoinlandsprodukt legte mit 0,8 Prozent noch deutlicher zu. Die Niederlande können ein glattes Prozent Wachstum vorweisen. Spitzenreiter ist Polen mit einem Wirtschaftswachstum von 1,5 Prozent. Dort läuft es also weitaus besser als in Deutschland.
Doch ob in Deutschland eine Rezession herrscht, ist letztlich Definitionssache. Dabei gehen Volkswirte von einer Rezession aus, wenn das Bruttoinlandsprodukt zwei Quartale in Folge schrumpft. Doch jetzt wird es kompliziert. Denn auch das Schrumpfen ist Definitionssache. Denn die Statistikämter bereinigen die Wachstumszahlen von der Inflation, Saison- und Kalendereinflüssen, damit sie besser miteinander vergleichbar sind. So führen zum Beispiel zusätzliche Arbeitstage – etwa wegen eines Schaltjahres – zu höheren Wachstumszahlen. Doch vor allem werden zwei Wachstumsraten unterschieden: die im Vergleich zum Vorjahresquartal und die im Vergleich zum Vorquartal. Das ist entscheidend, wenn es darum geht, ob Deutschland sich laut der EU in einer Rezession befindet. Denn die Vorjahresquartalszahlen sind es, die laut der Eurostat-Mitteilung schon das vierte Mal in Folge negativ sind.
Bei den Vorquartalszahlen ist es anders: Von Januar bis Dezember wuchs die Wirtschaft im Vergleich zu Ende vergangenen Jahres um 0,2 Prozent. Das heißt, die Wirtschaftsleistung war Ende März 2024 zwar niedriger als Ende März 2023, aber immer hin noch höher als Ende Dezember. Folglich ist die Wirtschaft nach dieser Definition noch keine zwei Quartale in Folge geschrumpft und befindet sich auch noch nicht in einer Rezession. Und diese Sichtweise wird in der Regel auch von Expert*innen übernommen. Zumal die Zahlen für Deutschland bereits Ende Juli vom Statistischen Bundesamt veröffentlicht wurden.
Risiken gefährden Erholung
Optimismus herrscht trotzdem nicht. Das Wirtschaftsministerium beklagte am Mittwoch wachsende Herausforderungen bei der wirtschaftlichen Erholung. Unter anderem gebe es neue Risiken aus geopolitischen Entwicklungen, ungünstigeren globalen Konjunkturdaten und einer gestiegenen Volatilität an den Finanzmärkten.
Leser*innenkommentare
Andere Meinung
Die Lage der deutschen Wirtschaft ist im Quervergleich zu den anderen G7-Staaten desaströs. Deutliches Zeichen dieser Entwicklung sind die signifikant gestiegenen Insolvenzen.
Es war ja nicht weiter verwunderlich, dass die Ampelregierung im Bereich der Wirtschaftspolitik nicht viel erreichen wird. Dass sie letztendlich aber sogar zu einer Deindustrialisierung führt, hätte selbst ich nicht erwartet.
Sicherlich sind Linken, der SPD und den Grünen die sogenannten "Konzerne" egal.
Was die Damen und Herren der Regierung dabei aber nicht bedacht haben, ist die Tatsache, dass bei einer solchen Entwicklung sicherlich keine positive Entwicklung des Lohnniveaus oder gar des Mindestlohnes möglich sein wird.
SPD-Versteher
@Andere Meinung Wie kommen Sie denn auf die Ampelregierung als ganze?
Es sind FDP und CDU die die nötigen Investitionen blockieren.
SPD, Grüne, Economist, Wirtschaftsweise, BDI, Bundesbank, IWF, EU-Kommission, Kommunen, die meisten Bundesländer usw. sind alle der Meinung, dass die Schuldenbremse in ihrer aktuellen Form schädlich ist.
Deutschland könnte sofort 800 Milliarden in die Infrastruktur stecken und die Krise wäre beendet. Der Sparfetisch ist absolut nutzlos. Es muss sich immer einer Verschulden. Wenn Privatleute und Unternehmen es nicht tun, bleibt nur noch der Staat übrig. Lässt er es sein geht es bergab.
An dieser Logik kommt keine Regierung der Welt vorbei. Das sieht man auch daran, dass in den USA sowohl Republikaner als auch Demokraten immer viele Schulden machen, alles andere wäre schädlich.
SPD-Versteher
Deutschland gibt eben kein Geld aus.
Die Staatsverschuldung ist viel zu gering. Es bringt nicht einen einzigen Vorteil so extrem wenig Staatsschulden zu haben. Die Bonität ist eh am Maximum. Die Infrastruktur ist veraltet und mit laufenden Mitteln unmöglich zu sanieren.
Einer muss Schulden machen, damit ein anderer sparen kann. Das ist mathematisch zwingend! Es gibt dabei nur vier Akteure, die gemeinsam immer bei 0 liegen.
-Privatleute sparen immer
-Unternehmen sparen seit 25 Jahren
-Der Staat ist in etwa bei 0
-Das Ausland macht die Schulden für uns.
Immer wenn das Ausland weniger Schulden bei uns macht, geht es der Wirtschaft schlecht. Eigentlich sollte das Ausland bei 0 sein und die Verschuldung muss entweder vom Staat und/oder den Unternehmen kommen.
Wollen letztere nicht, muss der Staat sich kontinuierlich verschulden. Da machen eigentlich auch alle großen Industriestaaten so, nur Deutschland nicht.
Leider kursieren in Deutschland allerhand Märchen über Finanzen.