Zivilgesellschaft in Brandenburg: Faktenbasiert für gute Integration

Kathleen Kunath gründete 2014 die Initiative „Willkommen in Falkensee“. Ihre Strategie: der Dialog mit allen. Ein Porträt.

Porträt von Kathleen Kunath, sie sitzt auf einem Stuhl, hat lange blonde Haare und trägt ein grünes T-shirt

In Falkensee unterstützt Kunath nicht nur Geflüchtete: „Wenn wir etwas machen, dann immer nur für alle. Sonst entsteht Neid.“ Foto: Tanja Marotzke

Falkensee taz | Angst, Abneigung, Überforderung: Diesem Muster droht Falkensee im Havelland bei Geflüchteten zu folgen. „Die Boshaftigkeiten im Netz, was die Menschen sich trauen, sich an den Kopf zu werfen, hat sich in den Alltag verlagert. Rassistische und diskriminierende Sprüche an Hauswänden. Das gab es vor zehn Jahren noch nicht“, sagt Kathleen Kunath zur Stimmung in Falkensee. Die Vorstadt Berlins prägt seit der Wende ein rasanter Zuzug aus der Hauptstadt. Die Einwohnerzahl hat sich seit 1990 mehr als verdoppelt und liegt jetzt bei über 45.000. Seit 2015 kommen vermehrt Geflüchtete dorthin, das geht an Falkensee nicht spurlos vorbei.

Kunath, 51 Jahre alt, wuchs im sächsischen Dohna bei Pirna auf, einer ehemaligen NPD- und jetzigen AfD-Hochburg. Mittlerweile lebt sie in Falkensee und gründete 2014 die Initiative „Willkommen in Falkensee“. Ursprünglich nur eine Gruppe bei Facebook, engagieren sich heute darüber etwa 200 Freiwillige ganz real für Integration im Havelland. „Egal, was ich persönlich von der großen, bundespolitischen Asylpolitik halte, hier bei uns im Ort müssen wir uns dafür einsetzen, dass es funktioniert“, sagt Sozialpädagogin Kunath.

Der Text ist aus einem zu den Wahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg im Rahmen eines Online-Workshops der taz Panter Stiftung entstandenen Ostjugend-Dossier, das durch Spenden finanziert wird: taz.de/spenden

Ihre Strategie: der Dialog mit allen. „Wir wollen den Leuten bewusst machen, dass ihre persönliche Haltung eine Rolle spielt und etwas bewirkt“. Höre man den Leuten nicht zu, ebne das den Weg für rassistische Ideologien.

Was Kunath damit meint, zeigte sich bei einer Aktion vor der Geflüchtetenunterkunft in Falkensee. Gegen deren Bau demonstrierte Anfang des Jahres eine andere Initiative unter dem Namen „Rettet den See“. Ein Vorwand, sagt Kunath und zeigt auf eine Karte: Der angeblich gefährdete See ist 700 Meter von der Unterkunft entfernt. „Rettet das Feld neben der Tankstelle“ wäre ein passenderer Name, scherzt sie.

Menschenkette gegen die rechte Demo.

Faktenbasiert mobilisierte Kunath eine Menschenkette gegen die rechte Demo. „Es ist uns gelungen, 400 Menschen über alle Parteigrenzen hinweg zu vereinen. Auch bei den Freien Wählern, der FDP und der CDU.“

Mit ihrer Initiative unterstützt Kunath nicht nur Geflüchtete: „Wenn wir etwas machen, dann immer nur für alle. Sonst entsteht Neid, und daran scheitert Integration.“ Das ersticke rechte Argumentationen im Keim. Alle oder keiner – an dem Motto hält Kunath konsequent fest. Weil sie nicht garantieren konnte, mit der Wohnungshilfe ihrer Initiative allen zu helfen, stellte sie das Angebot Anfang des Jahres ein.

Nun vermitteln wieder nur die Behörden Wohnungen. Zu denen unterhalte Kunath beste Beziehungen – mittlerweile zumindest. Vor zehn Jahren hätten die Behörden „Willkommen in Falkensee“ als nervige Bedrohung wahrgenommen, erklärt Kunath. Dass sie und ihre Kol­le­g:in­nen staatliche Strukturen ergänzen, werde aber inzwischen geschätzt. Darauf ist Kunath sichtlich stolz: „Wenn man sich aktiv mit dem Thema auseinandersetzt und es angeht, dann kann es auch gut werden.“

Tim Kemmerling (24) ist ein Kind westdeutscher Eltern, in West-Berlin geboren und in Falkensee aufgewachsen, nur, um nach dem Abi direkt wieder nach Berlin zu fliehen und dort Volkswirtschaftslehre zu studieren. Mit „Dem Osten“ konnte er sich nie identifizieren, bis er von dort wegzog.

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