wortwechsel: Verrutschte Maßstäbe – im Krieg und im Frieden
Verzweifelte, verbissene, in den Krieg beorderte Mörder – in Russland und in der Ukraine. Wir tun so, als wäre Krieg nun normal geworden. Im Westen und im Osten – nichts Neues
Wer traut noch wem?
„Vorwürfe gegen Ukrainer: Haftbefehl nach Nord-Stream-Anschlag“,
taz vom 15. 8. 24
Erinnern wir uns noch? Im September 2022 wurden mehrere Anschläge auf die Nordstream-Pipelines durchgeführt. Wochen- und monatelang gab es Leitartikel und Empörungen in allen Nachrichtensendungen und auf allen Titelseiten. Schon am Tag nach dem Anschlag wurde bei uns Russland als verantwortlich für das Umweltdesaster erklärt. Deutsche Politiker konnten mit diesem Verdacht offensivere Munitions- und Panzergeschenke an die Ukraine durchsetzen. Nicht nur Ursula von der Leyen forderte seinerzeit eine drastische Bestrafung der Täter. Sicher zurecht: Die Anschläge hatten die Gas- und Strompreise im vorletzten Winter explodieren lassen. Millionen Menschen litten unter Nachzahlungen, viele Unternehmen leiden bis heute an den Preissteigerungen. Nun wird nach und nach immer deutlicher, wer tatsächlich 2022 hinter diesen Anschlägen steckte. Haben westliche Staaten die Flucht des Täters ermöglicht und sogar mit Steuermitteln finanziert, sodass bei uns Menschen und Betriebe in existentielle Nöte geraten sind?
Norbert Gores, Neu-Morsnet
„Gefährdete deutsche Ukrainehilfe: Auf Trumps Pfaden“, taz vom 19. 8. 24
Für einen Großteil der Bevölkerung in West- und Ostdeutschland ist der Krieg in der Ukraine nicht unser Krieg. Aggressor Putin-Russland hat uns (die Nato) in keiner Weise angegriffen. Völkerrechtswidrige Angriffskriege muss die Welt leider fast permanent erdulden. Auch Nato-Staaten waren hier unrühmlich aktiv. Wie in jedem Krieg stellt sich aber auch hier die Frage: Wer profitiert und wer leidet? Hohle Phrasen von Freiheitsverteidigung rechtfertigen nicht Hunderttausende beidseitige Todesopfer. Verhandeln um jeden Preis ist die humane Lösung.
Bernd Meyse, Oldenburg
Russland beklagt, dass die Ukraine westliche Waffensysteme einsetzt, damit sei der Westen sozusagen Kriegspartner. Aber welche Waffen setzt Russland ein – auch aus China? Ist damit China auch Kriegspartner? Ulrich Dürr, Bad Nauheim
Was ist Friedensirrsinn?
„Scholz und BSW: Rückenwind vom Kanzler“, taz vom 19. 8. 24
Ja, Sahra Wagenknechts Aufstieg hat etwas mit Olafs Schwächen zu tun. Aber ihm zu empfehlen, es Sahra gleichzutun und leere Friedenshoffnungen aufzubieten, ist genauso absurd, wie die AfD mit ihren eigenen Mitteln zu bekämpfen. Scholz hat mehrmals direkt bei Putin am Tisch gesessen, er war in China und hat dort die Zusicherung mitgebracht, dass China eine Atomdrohung nicht mitträgt, aber es hat an seiner Angstpolitik nichts geändert.
Am meisten profitieren Populisten von Unklarheit und Unentschlossenheit der Regierenden. Wir sind im Krieg, es geht deshalb gerade nicht um Abrüstung, sondern darum, wie Europa sich verteidigt und eine Aggression stoppt. „Solange der Westen das Heft des Handelns nicht zurückgewinnt, bestimmen Aggressoren wie Moskau und Teheran, was auf der Welt geschieht. Frieden und Freiheit dient das nicht.“ An dieser einfachen Wahrheit, zitiert aus der rechtskonservativen NZZ, kommt auch die taz nicht vorbei.
Burkhart Braunbehrens, Ebertsheim
Ist das Kriegsirrsinn?
„Kämpfen für Deutschland: Zu den Waffen, Genossen!“, wochentaz vom 17. 8. 24
Unter welchen Umständen sich ein Mensch gezwungen sieht, sein Leben hinter sich zu lassen oder mit der Waffe zu verteidigen, ist sicherlich ein Artikel wert. Am Ende ist es aber eine individuelle, unbedingt zu akzeptierende Entscheidung. Der russische Angriff als Beispiel ist allerdings so plakativ, dass man ihn hier nicht ernst nehmen kann. Für antifaschistischen Widerstand bietet sich im Lande bereits mehr Gelegenheit, als einem lieb sein kann. Man kann nur hoffen, dass dieser nicht bald bewaffnet erfolgen muss. Doch wenn man mit dem linken Auge nur auf Russland schielt, dann muss man auf dem rechten umso wachsamer sein. Und wer „Kämpfen für Deutschland“ als Überschrift liest, kann sich nur beide Augen reiben. Ernsthaft!
Marcel Thanhäuser, Minden
Nach Meinung Ihres Autors ist Krieg überall und die Frage, wer sich in Deutschland im Angriffsfall in den Schützengraben legen würde, beantwortet er mit: „Ich!“ Er würde nicht abhauen, so wie Salonpazifisten/innen. Aber er ist naiv, wenn er glaubt, dass Länder wie die Schweiz alle, die abhauen wollen, aufnehmen würden.
Wenn es wirklich zu einem Krieg käme, wären alle kriegstauglichen Menschen verpflichtet, in den Krieg zu ziehen. Mein Vater musste in den Zweiten Weltkrieg ziehen. Denn es galt als Feigheit vor dem Feind, wenn man sich weigerte, in den Krieg zu ziehen, und man wurde von den eigenen Leuten erschossen. Krieg bringt Not, Elend und Tote. Wer hat das nicht verstanden, wenn er das Buch „Im Westen nichts Neues“ von Remarque gelesen hat? Krieg ist keine Lösung! Die Möglichkeit, dass durch Diplomatie, Kriege beendet oder verhindert werden können, sieht der Autor gar nicht.
Irmtraut Otte, Göppingen
Wie jedes Jahr hat das schwedische Friedensforschungsinstitut Sipri die erschreckend angewachsenen Rüstungsausgaben aller Staaten veröffentlicht. Wie schon in den Vorjahren, stecken die Nato-Staaten mehr als 14-mal so viel (!) in ihre Rüstung als Russland. Ist es angesichts dieser Tatsache wirklich realistisch, von einem drohenden russischen Angriff auf die Nato zu sprechen, wie es viele westliche Politiker tun? Von einer russischen Armee, die seit über 2 Jahren große Schwierigkeiten hat, der vergleichsweise militärisch schwachen Ukraine wenige Quadratkilometer Land brachial zu entreißen?
Oder ist der drohende Angriff auf die Nato lediglich eine Verschwörungserzählung, damit immer neue und teurere Waffengeschenke gerechtfertigt werden können? Wann wird endlich erkannt, dass nur Verhandlungen das Leid der Menschen beenden können?
Heinz Quix, Übach-Palenberg
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