Konzertclub kämpft gegen die Pleite: Land unter am Elbufer
Der Hamburger Konzertschuppen Hafenklang braucht Geld und startet ein Crowdfunding. Mittelfristig seien Politik und Eventfirmen in der Verantwortung.
Durch massiven Protest wurde der Bau 1997 gerettet, dieses Jahr feiert das Hafenklang als Live-Club sein 25-Jähriges: eine dunkle Halle im Erdgeschoss, darüber der freundlichere „Goldene Salon“ sowie Büros.
Seit Corona hat auch dieser Club massive Geldprobleme: Vieles sei anders geworden, sagt Thomas Lengefeld vom Betreiber:innen-Team. In der ersten Hälfte des laufenden Jahres sei ein Defizit von 55.000 Euro entstanden. „Obwohl wir eigentlich nichts anderes machen, keine Werbung, kein Booking, sonst irgendetwas.“
Kurzfristig will das Kollektiv den Weiterbetrieb mittels Crowdfunding sichern, mittelfristig seien aber die Politik gefordert und die Branchenriesen, die kleine Konzertveranstalter zunehmend kaputt machten.
Ausgezeichnetes Programm
Mehrfach wurde der Laden für innovatives Programm ausgezeichnet, auch zum „Live-Club des Jahres“ erklärt. „Wir sind eine Institution, sagt man“, heißt es auf der Hafenklang-Internetseite, und: „ebenso nah an der Elbe wie am Puls der Zeit“. Wichtiger als die Einnahmen war den Betreiber:innen immer, Künstler:innen eine Bühne zu geben, die sie mögen – auch wenn eine später die große Hamburger Sporthalle ausverkaufende Band wie At the drive-in dann eben vor nur sieben Leuten spielte.
Dass es so aber nicht mehr funktioniert, sei schon länger klar, sagt Lengefeld: Seit dem Auslaufen der staatlichen Coronahilfen habe man rund 100.000 Euro in den Veranstaltungsbetrieb gesteckt. Das Problem betreffe die ganze Branche, liege vor allem am veränderten Freizeit- und Ausgehverhalten, sagt Lengefeld, der sich seit den 1990ern auch ums Booking kümmert.
Der Trend gehe zum Großevent. „Da geben die Leute ihr schmaler gewordenes Budget aus. Die Kids sind über Spotify und Youtube sozialisiert und nicht mehr im Club.“ Auch die Getränkepreise in so einem Laden überforderten gerade Jüngere, die dann eben cornern, also draußen vor dem Kiosk feiern: In den vergangenen vier Jahren sei der Getränkeumsatz im Hafenklang um ein Drittel eingebrochen, sagt Lengefeld.
Zugleich sei die Inflation und damit die Produktionskosten gestiegen. „Bei einem Konzert brauchen wir 130 bis 150 Leute, um überhaupt schwarze Zahlen zu schreiben.“ Ein inhabergeführter Club könne auf Veranstaltungen verzichten, die nicht einträglich genug sind – oder einfach Partys veranstalten, auf denen viel getrunken wird, die aber nicht viel kosten.
Es geht nicht nur ums Geldverdienen
Hinter dem Hafenklang stecke aber ein Kollektiv, dessen Anspruch eben nicht nur sei, Geld zu verdienen. So könne man junge Bands nicht leer ausgehen lassen, indem sich der Club etwa erst mal alle Einnahmen bis 600 Euro sichere, und die Künstler:innen nur bekommen, was darüber hinaus noch in der Kasse landet.
Nun gehe es darum, ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass da etwas wegbreche. „Das versuchen wir der Politik gerade klarzumachen.“ Konzertbühnen wie das Hafenklang bräuchten eine verlässliche Förderung, findet Lengefeld, so wie Theater. Sonst seien anspruchsvolle Programme nicht mehr möglich. Das sähen auch alle ein, mit denen er bislang gesprochen habe. Aber in der Politik drehten sich die Mühlen langsam – „Bis dahin sind wir längst pleite“.
Das Crowdfunding sei dennoch nur eine vorübergehende Notlösung. Lengefeld setzt nicht nur auf Unterstützung seitens der Politik, sondern spricht auch die Riesen der Konzertbranche an. Etwa die Sponsoring-Abteilung von Live Nation, weltgrößte Eventfirma, Jahresumsatz 16,7 Milliarden Dollar, gegen die in den USA derzeit ein Kartellverfahren läuft.
Das Büro liegt 50 Meter entfernt vom Hafenklang in einem Glasloft am Elbhang. Dort habe er sich als Nachbar vorgestellt und dem Chef gesagt: „Ihr habt ein Imageproblem, wir haben ein Geldproblem, kommen wir da irgendwie zusammen?“ Es wurde gelacht, aber man kam ins Gespräch.
Auf die eigene Crowd ist Verlass
Aufgegeben hat das Hafenklang-Kollektiv noch lange nicht. „Wir sind nach wir vor sportlich und kämpferisch eingestellt“, sagt Lengefeld. Am Samstag aber ist erst mal die Altonaer Punkrockkneipe „Café Treibeis“ im Hafenklang zu Gast.
Auch der geht es seit Corona gar nicht gut. Acht Bands, die zu hören sind auf einem „Treibeis Soli Sampler“, der im April herauskam, spielen unten in der düsteren Hafenklang-Halle, oben gibt es Essen und Merchandising. Auf die eigene Crowd ist immer noch Verlass.
www.startnext.com/broke-but-dope-save-hafenklang
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kritik am Deutschen Ethikrat
Bisschen viel Gott
Trumps Krieg gegen die Forschung
Bye-bye, Wissenschaftsfreiheit!
Ungelöstes Problem der Erneuerbaren
Ein November voller Dunkelflauten
Menschenrechtsverletzungen durch Israel
„So kann man Terror nicht bekämpfen“
Altvordere sollen Linke retten
Hoffen auf die „Silberlocken“
Wahlkampfchancen der Grünen
Da geht noch was