Deutscher Basketballboom: Learning by doing
Frankreich ist für die deutschen Basketballerinnen noch zu stark gewesen. Dennoch soll der Weg der Korbjägerinnen nun direkt an die Weltspitze führen.
Da war nichts zu beschönigen. Das war den deutschen Basketballerinnen klar nach der 71:84-Niederlage gegen Frankreich im Viertelfinale des olympischen Turniers. Zwanzig Turnover standen am Ende auf dem Statistikbogen. Zwanzigmal hatten sie den Ball an ihre Gegnerinnen verloren. „Es waren die Ballverluste, die den Französinnen zu viele einfache Körbe beschert haben.“
Auch für Alexis Peterson, die Aufbauspielerin der Deutschen, waren die Ballverluste der Hauptgrund für die Niederlage. Aber irgendwie wollte sie so recht darüber nicht sprechen. Denn „niemand hat mit uns hier im Viertelfinale gerechnet“, sagte sie und zeigte, wie stolz sie auf das Erreichte war.
Peterson, die geborene US-Amerikanerin, war erst kurz vor Olympia eingebürgert und mit einer Spielberechtigung für den Deutschen Basketball-Bund ausgestattet worden. Endlich hatte das deutsche Team eine Aufbauspielerin. Beim Qualifikationsturnier in Brasilien war noch Satou Sabally, die Flügelspielerin von den Dallas Wings aus der WNBA, für den Ballvortrag verantwortlich.
Das veranschaulicht ganz gut, dass die Deutschen erst am Beginn einer Entwicklung stehen. Trainerin Lisa Thomaidis wird ja auch nicht müde, das zu betonen. Es gibt eben einfach noch zu wenige deutsche Basketballerinnen, die auf internationalem Parkett Erfahrung haben. „Die Französinnen sind seit Jahren für jede WM und EM qualifiziert. Das macht eben einen Unterschied“, sagte die Kanadierin nach dem Olympia-Aus.
Eine Frage der Systeme
Während die Französinnen elf Spielerinnen auf das Parkett geschickt haben, von denen nur eine auf weniger als zehn Minuten Spielzeit gekommen ist, setzte Thomaidis nur sieben Spielerinnen ein. Sie ist darauf angewiesen, dass die Anführerinnen des Teams mehr oder weniger allein ihre Entscheidungen treffen. Während die Französinnen sauber ihre eingeübten Systeme durchgespielt haben, war bei den Deutschen nicht viel mehr zu sehen als ab und zu mal ein Block, der der ballführenden Spielerin Platz verschaffen sollte. „Wir haben nur eine einzige Trainingseinheit zu zwölft absolvieren können“, sagte Thomaidis nach dem Spiel.
Hätten sich Svenja Brunckhorst und Sonja Geiselsöder vor den Spielen nicht dafür entschieden, beim 3x3-Basketball anzutreten, hätte das vielleicht noch besser ausgesehen. Die beiden sind jetzt Olympiasiegerinnen und haben aus ihrer Sicht gewiss die richtige Entscheidung getroffen. Sie haben zugeschaut, als ihre Kolleginnen gegen das extrem physisch spielende Frankreich unter die Räder gekommen sind.
Auch Dirk Nowitzki, der deutsche Hero, der in diesen Tagen alles tut, um dem deutschen Basketball durch seine schiere Anwesenheit Größe zu verleihen, war wieder in der Halle und wird nicht schlecht gestaunt haben über die phänomenal gut aufgelegten Französinnen, von denen eine hochbegabte Ballerin nach der anderen von der Bank gekommen ist. Die fünf Dreier von Marine Johannés, ja, die hatten schon etwas.
Die sieben wackeren Deutschen haben da oft zu viel Abstand gehalten. Die anderen waren eh noch nicht so weit, um überhaupt zum Einsatz zu kommen. Für Lisa Thomaidis wird es nun darauf ankommen, die Spielerinnen, die den höchsten Ansprüchen noch nicht ganz gewachsen sind, an internationales Niveau heranzuführen.
Ein weiter Weg ist das noch. Satou Sabally, die fast schon ein schlechtes Gewissen zu haben schien, weil sie, die sonst immer überragt hatte, in der ersten Hälfte fast gar nichts an Punkten beisteuern konnte, weiß, dass dennoch etwas bleiben wird von dem Turnier. „Wir haben gezeigt, wie sehr der Basketball in Deutschland gewachsen ist“, sagte sie, der vor lauter Enttäuschung vor allem über sich selbst nicht viel eingefallen ist nach dem Spiel.
Auch sie hatte den Abstand zur absoluten Elite gespürt. „Die Französinnen waren einfach sehr aggressiv. An so etwas müssen wir uns erst noch gewöhnen“, so Sabally, die schon in einer Woche ebenso wie ihre Schwester Nyara und Leonie Fiebich wieder auf dem Parkett stehen soll. Die US-Profiliga WNBA, die im Sommer, wenn die Männer Pause haben, die Hallen in den USA füllen soll, setzt kommende Woche ihren Spielbetrieb schon wieder fort.
Vor der Nationalmannschaft, die innerhalb eines Jahres von der fast vollständigen Bedeutungslosigkeit in die erweiterte Weltspitze aufgestiegen ist, liegen nun zwei Heimturniere. Die Vorrunde der EM findet im kommenden Jahr in Hamburg statt. Die Weltmeisterschaft 2026 in Berlin. Bei den nächsten großen Turnieren sind die Deutschen, die sich über Jahrzehnte schwergetan haben, überhaupt die Qualifikation zu schaffen, also dabei. Vor der Europameisterschaft gibt es als Ersatz für die Qualifikationsspiele eine Gruppenspielrunde mit den anderen EM-Gastgebern Griechenland, Italien und Tschechien. Da lässt sich ohne viel Druck arbeiten. Mal sehen, was dabei rauskommt.
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