„Trostfrauen“-Mahnmal in Berlin: Kai Wegners langer Arm

Die „Trostfrauen“ sind Japan ein Dorn im Auge. Und nun wird ein Bildungsprogramm zu Sexualisierter Gewalt eingestellt – auf Druck des Regierenden.

Die Bronzestatue wurde von dem südkoreanischen Künstlerpaar Kim Eun-sung (* 1965) und Kim Seo-kyung entworfen.

Soll weg: Die Trostfrauenstatue auf dem Unionsplatz im Stadtteil Moabit von Berlin Foto: Rolf Zöllner/imago

BERLIN taz | Die japanische Regierung und der Senat von Kai Wegner (CDU) machen nicht nur gegen die Trostfrauenstatue in Berlin-Moabit mobil. Sie verhindern auch ein Bildungsprogramm, das damit verbunden ist.

Wie die taz berichtet hatte, soll der Korea-Verband – eine Berliner NGO –, die Trostfrauenstatue an der Moabiter Birkenstraße abbauen. Die Forderung kam auf, nachdem der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) im Frühjahr in Berlins Partnerstadt Tokio zu Besuch war. Die Trostfrauenstatue erinnert an die Zwangsprostitution von koreanischen, chinesischen, taiwanesischen und anderen Frauen aus Ländern, die Japan im Zweiten Weltkrieg besetzt hatte, in japanischen Militärbordellen bis 1945. Das Denkmal ist der japanischen Regierung ein Dorn im Auge. Tokio hat mehrfach auf diplomatischem Weg zum Abbau der Statue gedrängt.

Aber nicht nur das Denkmal selbst, auch ein damit verbundenes Bildungsprogramm soll es nach dem Willen Japans nicht geben. Und das wurde dann nach Recherchen der taz im Frühjahr auch so beschlossen. Zuerst hatte der rbb berichtet.

Bildung nicht im Sinne der japanischen Botschaft

Der Korea-Verband, der die Trostfrauenstatue aufgestellt hat, hat das Denkmal mit einem Bildungsprogramm in Schulen und Jugendeinrichtungen zum Thema Sexualisierte Gewalt kombiniert. In dem Programm „Setz dich neben mich“, werden Jugendliche an der Statue mit dem freien Stuhl animiert, sich künstlerisch mit dem Thema Sexualisierte Gewalt auseinanderzusetzen.

Das Bildungsprojekt ist einmalig in Berlin. Die jungen Leute informieren sich über Wehrmachtsbordelle, sehen Filme über Frauen, die Opfer sexuellen Missbrauchs in unterschiedlichen Weltregionen wurden und gestalten eigene Figuren aus Knete und Ton. Das Projekt wird vom Projektfonds Kulturelle Bildung der Berliner Landesregierung finanziell gefördert. Doch seit diesem Sommer fließen die Gelder nicht mehr.

Manuela Schmidt, die für die Linken im Kulturausschuss des Abgeordnetenhauses sitzt, hat bei der Landesregierung nachgefragt und die lapidare Antwort erhalten, dass die Förderung ausgelaufen sei.

Doch ganz so lapidar ist das nach Recherchen der taz nicht gelaufen. Über die Förderung, die jährlich neu beantragt werden muss, befindet zunächst eine Fachjury aus Mitarbeitern kultureller Einrichtungen. Die befürwortete das Projekt, erfuhr die taz. Doch weil das Projekt eine bestimmte Fördersumme überschreitet, kann die Fachjury nur eine Empfehlung abgeben. Die Entscheidung liegt bei einem Beirat, in dem neben Fachleuten aus Kultur und Pädagogik auch mehrere Staatssekretäre sitzen – alle mit CDU-Parteibuch – sowie Leute aus der Verwaltung.

Ein Mann und eine Frau schütteln sich die Hände.

Deutsch-japanische Freundschaft: Tokios Gouverneurin Yuriko Koike und Kai Wegner in Tokio; Mai 2024 Foto: Eugene Hoshiko/pikture alliance

Kai Wegner beeinflusst

Der Beirat tagt nicht öffentlich. Doch der taz ist es gelungen, mit zwei Beiratsmitgliedern zu sprechen. Sie bekunden übereinstimmend, dass der Staatssekretär für Jugend, Falko Liecke, zu Beginn der Beiratssitzung gesagt hätte, er hätte mit dem Regierenden Bürgermeister Kai Wegner telefoniert und der hätte gesagt, das Projekt dürfe nicht gefördert werden, weil das so im Sinn der japanischen Botschaft sei.

Darauf hätten sich, so die beiden Beiratsmitglieder unabhängig voneinander, mehrere Teilnehmer zu Wort gemeldet. Sie hätten gefordert, hier müsse nach künstlerischen und pädagogischen Gesichtspunkten entschieden werden und nicht aufgrund einer politischen Einmischung von außen.

Mehrere Beiratsmitglieder hätten zudem in der Diskussion berichtet, sie seien von dem japanischen Botschafter in ein hochklassiges Restaurant zum Essen eingeladen worden. Der hätte dort den Wunsch ausgedrückt, dass man gegen das Projekt votieren solle. Dennoch hätte das Projekt, so die beiden Beiratsmitglieder gegenüber der taz, eine einfache Mehrheit für die Weiterförderung erhalten. Erforderlich wäre aber eine Zweidrittelmehrheit gewesen, die die CDU-Vertreter verhindern konnten.

Die taz hat versucht, dazu ein Statement der Senatsverwaltung für Bildung und Jugend zu bekommen, in der Falko Liecke Staatssekretär ist. Die Pressestelle reagierte jedoch nicht auf mehrmalige Anfragen der taz. Der Chef der Senatskanzlei, Florian Graf, ließ auf eine parlamentarische Anfrage des SPD-Abgeordneten Marcel Hopp die Frage nach der Einflussnahme auf die Staatssekretäre unbeantwortet.

Dubiose Vorgänge beim Austausch

Ein Sprecher der japanischen Botschaft bestätigt zwar Gespräche, nennt aber keine Namen. „Das von der südkoreanischen Organisation, die die Statue aufgestellt hat, durchgeführte Projekt findet in Form von Workshops statt, die sich an Jugendliche in Deutschland richten“, teilt der Sprecher mit. „Dabei wird die Statue genutzt, um ein einseitiges Narrativ zu verbreiten. Jungen Deutschen, die in Bezug auf Asien über kein großes Wissen verfügen, werden so antijapanische Gefühle eingepflanzt.“

Anders als es der Sprecher behauptet, ist der Korea-Verband allerdings keine südkoreanische Organisation, sondern eine NGO nach deutschem Recht, in der südkoreanische Migrantinnen und Deutsche zusammen arbeiten.

Bahar Haghanipour, frauenpolitische Sprecherin der Grünen, hält den Vorgang für dubios. „Die CDU wird ihrer politischen Verantwortung nicht gerecht, wenn sie Projekte nicht nach Eignung und Qualität beurteilt, sondern nach politischem Gutdünken. Für mich klingt das, als mache die CDU sich zur Marionette Japans.“

Auch die linke Abgeordnete Manuela Schmidt ist irritiert. „Das ist ein wichtiges Projekt für die kulturelle Bildungsarbeit. Hier sollte nach den Bedarfen in Berlin auf fachlicher Basis entschieden werden und nicht auf der Grundlage politischer Einmischung von außen.“

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