Thriller „Schock“ auf DVD: Schutzräume kann es nicht geben

Ein Arzt gerät zwischen die Fronten zweier rivalisierender Gruppen: „Schock“ ist ein glaubhafter deutscher Gangsterfilm.

Bruno (Denis Moschitto) wird mit einer Pistole bedroht.

Bruno (Denis Moschitto), die Hauptfigur von „Schock“, ist zu gut für sein Milieu Foto: Filmwelt

Bruno spricht wenig, sehr wenig. Er ist die Ruhe selbst noch in misslichster Lage. Und er ist der Arzt, der zu denen kommt, die das offizielle Gesundheitssystem meiden, ein Engel der Halbwelt, in die er nach dem Verlust der Approbation (eine Drogengeschichte, wie so vieles in diesem Film nur am Rande erwähnt) unversehens geriet. Gleich zu Beginn zieht er einer Prostituierten den Zahn.

Und „Schock“ macht von Anfang an klar: Wegschauen ist nicht. Das ist ein Film, der die Zuschauerinnen und Zuschauer bei seinen Genre-Operationen nicht vorher betäubt. Hier wird gefeilt und geschossen und geschnippelt und das Geschnippelte notdürftig wieder geflickt. Das Blut, das hier fließt, ist zwar Kunstblut, aber echter als echt.

Bruno ist oft in der Nacht in einem Köln unterwegs, in dem ganz sicher kein Dom steht. Ein Köln der Hinterhöfe und Hochhäuser und Wohnwagen, der Unterführungen und Autowerkstätten, und nur beim Trainieren im Gym fällt der Blick auf eine Welt, in der es überteuerte Shops mit Namen wie „Kauf dich glücklich“ gibt.

Brunos Herz ist gut, aber in dem Milieu, in dem er unterwegs ist, ist das schlecht. Eine Anwältin (Gastauftritt Anke ­Engelke) bittet ihn, einem an Leukämie erkrankten Klienten zu helfen. Es muss so enden, dass Bruno beim Versuch, an das Medikament ranzukommen, in Teufels Küche gerät.

„Schock“ (D 2023, Regie: Denis Moschitto, Daniel Rakete Siegel). Die Blu-Ray ist ab rund 17 Euro im Handel erhältlich

Roughes Hinterhof-Köln

„Schock“, der Film, hat, wie sein Held, meist die Ruhe weg. Mit dem Auto gleitet Bruno wieder und wieder durch ein roughes Hinterhof-Köln, das Auto als scheinbarer Schutzraum, aber schnell ist klar: Schutzräume kann es nicht geben. Nicht für Bruno, und auch für niemanden sonst. Bei den Fahrten und Gängen wird wie auch sonst wenig gesprochen, es reichen als Noir-Hintergrund die Tupfer aus Licht. Und die sehr coolen elektronischen Ambientklänge von Hainbach, die sich zum bitteren Finale in Richtung Hongkong-Tradition loopen.

Bruno, das ist Denis Moschitto, einer der nicht so vielen deutschen Schauspieler, die extrem gut darin sind, sehr wenig zu tun. Die Stimme glatt, ohne Druck, aber immer Teil des Körpers, nichts, das in ihn hineingelernt worden ist. Er kam 2008 in einem anderen tollen Gangsterfilm, Özgür Yildirims „Chiko“ (produziert von Fatih Akin) groß raus, hat dann, wie das in Deutschland so ist, viel mediokres Fernsehen gemacht.

Bei der Comedy-Serie „Im Knast“ (2015/16) hat er den Regisseur Daniel Rakete Siegel kennengelernt. Die beiden teilen sich für „Schock“ die Credits bei Buch und Regie, sie teilen offensichtlich die Vorliebe für so schmutziges wie smartes Gangsterkino. Ausdrückliches Vorbild: der Däne Nicolas Winding Refn, aber weniger die immer slickeren Sachen wie „Drive“, sondern die frühen, räudigen Filme der „Pusher“-Trilogie. Aber auch klassisches Hongkong, eher Johnnie To als John Woo, gehört zur DNA dieses Films.

Das Verhältnis von „Schock“ zu den Vorbildern ist selbstbewusst, nicht epigonal, und schon gar nicht ironisch. Moschitto und Siegel erschaffen sich ein glaubhaftes Gangsterfilm-Köln. Nicht, wie es Thomas Arslan tut, als Reduktion auf Essenzen. Nicht, wie bei Dominik Graf, als Fiebertraum-Variante von New-Hollywood-Action. Das Ganze ist slick inszeniert, aber kaum je zu sehr. Der Schnitt schön lakonisch, der Plot ist es auch. Wo Erklärung nicht nottut, findet sie nicht statt. Fast erstaunlich, dass es für so ein Buch Fördergeld gibt.

Die traurige Wahrheit allerdings bleibt, wie bei Dominik Graf oder Thomas Arslan: An den Kinokassen in Deutschland kann man mit noch so coolen Gangsterfilmen nichts reißen. Der Markt scheint durch die Masse des Mediokren im Fernsehen schon immer gesättigt.

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