Antiziganismus im Hotel: Gleiche Regeln für Sinti-Nachnamen

Kelly Laubinger von der Sinti-Union bekam aufgrund ihres Nachnamens kein Zimmer in einem Hotel. Der Hotelier muss dafür jetzt Strafe zahlen.

Kelly Laubinger von der Sinti Union Schleswig-Holstein

Kelly Laubinger von der Sinti Union Schleswig-Holstein hat vor Gericht recht bekommen Foto: Kaja Grope

NEUMÜNSTER taz | Nach dem Urteil musste Kelly Laubinger erst einmal tief durchatmen, bevor sie ihre Freude in Worte fassen konnte: „Das ist ein großer Schritt für die Minderheit.“ Zuvor hatte das Amtsgericht Neumünster einen Hotelier aus dem schleswig-holsteinischen Neumünster zu einer Geldstrafe von 1.000 Euro sowie zur Übernahme der Prozess- und Anwaltskosten verurteilt. Nach Meinung des Richters hatte der Mann gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verstoßen, indem er Kelly Laubinger ein Hotelzimmer verweigerte.

Kelly Laubinger, Geschäftsführerin der Sinti Union Schleswig-Holstein

„Dieses Urteil gibt uns Hoffnung und zeigt, dass der Kampf gegen Rassismus und Diskriminierung nicht umsonst ist“

In ihrer Funktion als Geschäftsführerin der Sinti-Union wollte die Sinteza das Zimmer im vergangenen Herbst für den Schriftsteller Max Czollek buchen, der als Gast des Vereins in Neumünster lesen sollte. Nachdem eine erste Anfrage positiv beantwortet wurde, lehnte das Hotel die verbindliche Buchung ab: „Leider darf ich Ihnen kein Zimmer vermieten, da wir mit der Familie Laubinger schlechte Erfahrungen gemacht haben“, hieß es per Mail. Kelly Laubinger klagte.

Bei der Verhandlung erklärten der Hotelier und eine Angestellte, das Hotel führe eine „Rote Liste“ mit Personen, denen wegen schlechten Benehmens Zimmer verweigert werden. Kelly Laubingers Anwalt Martin Klingners fragte nach, ob denn grundsätzlich alle „Meiers“ abgelehnt werden, wenn ein Meier randaliert habe. Das sei nicht der Fall, versicherte der Hotelier. Doch bei Laubinger galten offenbar andere Regeln: „Laubinger kriegt hier kein Zimmer“, hatte der Hotelier seiner Angestellten gesagt.

Der Name „Laubinger“ ist typisch für die Sinti-Minderheit. In Neumünster leben eine Reihe von Personen mit diesem Namen, er findet sich auch auf dem örtlichen Mahnmal für die Opfer des Nationalsozialismus. Der Hotelier hatte bei der Verhandlung versichert, er wisse nichts von einer Verbindung zur ethnischen Gruppe der Sinti. Seine Ablehnung beruhe einzig auf einem Vorfall, bei dem ein Mann dieses Namens ein Zimmer verwüstet habe.

„Gewisse ethnische Klischees“

Er sei überzeugt, dass der Hotelier nicht grundsätzlich bestimmte Gruppen diskriminiere, sagte der Richter in seiner Urteilsbegründung. Er hielt es auch für wahrscheinlich, dass eine „irrtümliche Kommunikation“, sprich ein Missverständnis, schuld an der harschen Ablehnung sei. Dennoch gehe er „in der Gesamtschau“ davon aus, dass „gewisse ethnische Klischees“ eine Rolle gespielt haben mögen. Zumindest sei es dem Hotelier nicht gelungen, diesen Verdacht vollends aus der Welt zu räumen.

Bei Fällen, die nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz verhandelt werden, verlagert sich die Beweislast auf den Beschuldigten, wenn es ausreichend Gründe für eine Benachteiligung gibt. Dann muss die beschuldigte Seite beweisen, dass keine Diskriminierung vorlag. Das konnte der Hotelier nach Bewertung des Richters nicht.

„Dieses Urteil gibt uns Hoffnung und zeigt, dass der Kampf gegen Rassismus und Diskriminierung nicht umsonst ist“, sagte Kelly Laubinger nach dem Ende der Verhandlung. Sie freue sich besonders über die Unterstützung, nicht nur aus der Sinti-Minderheit, sondern auch von Ver­tre­te­r:in­nen der jüdischen Community, darunter Hanna Veiler von der Jüdischen Studierendenunion Deutschlands sowie Leah und Max Czollek.

Der Schriftsteller gratulierte in einem Statement: „Ich freue mich, dass das Gericht die Diskriminierung nun juristisch bestätigt hat. Gleichzeitig ist es eine Bestätigung der traurigen Realität, in der Sin­ti*­ze und Rom*­nja auch 2024 noch leben. Der Kampf dagegen kann nicht von den Gerichten allein geleistet werden. Das müssen wir alle gemeinsam machen.“

Viele Betroffene melden sich nicht

Für Kelly Laubinger ist es der zweite gerichtliche Sieg: Sie hatte bereits erfolgreich gegen ein Fitnessstudio geklagt, das sie nicht aufnehmen wollte. Damals und auch beim jetzigen Verfahren erhielt sie Hilfe vom Antidiskriminierungsverband Schleswig-Holstein.

„Wir freuen uns über das Urteil“, sagte Stefan Wickmann, Leiter des Kompetenz- und Beratungszentrums gegen Diskriminierung unter dem Dach des Verbandes. Leider meldeten sich nur wenige Betroffene und versuchten, ihre Rechte durchzusetzen. In Schleswig-Holstein können sich Opfer von Diskriminierung und Ungleichbehandlung entweder ans Büro der Bürgerbeauftragten oder an den Verband wenden. Die meisten Fälle betreffen Rassismus, etwa Racial Profiling.

Aber es gebe auch arbeitsrechtliche Fragen: „An uns wenden sich Menschen mit Behinderung, die trotz passender Qualifikation nicht zum Vorstellungsgespräch eingeladen werden“, berichtet Wickmann. Auch bei Altersdiskriminierung oder sexueller Belästigung am Arbeitsplatz werde der Verband aktiv. „Firmen oder Behörden fragen bei uns nach Seminaren für Verhalten im Arbeitsalltag – allerdings meist, wenn es bereits einen Vorfall gab.“

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