Verbände fordern Umdenken beim Haushalt: Klima statt Dienstwagenprivileg
Die Bundesregierung soll den Fokus beim Haushalt stärker auf soziale Gerechtigkeit und Klimaschutz legen. Das fordern mehrere Verbände vom Bund.
![Eine große Menge verschiedener Euro-Geldscheine Eine große Menge verschiedener Euro-Geldscheine](/picture/7121290/624/haushalt-geld-1.jpeg)
Soziale Gerechtigkeit und Klimaschutz statt Dienstwagenprivileg: Verbände fordern Umdenken im Haushalt 2025 Foto: dpa
BERLIN AFP | Vor dem Hintergrund der Haushaltsgespräche für das kommende Jahr haben sich mehrere Verbände für ein günstiges Deutschlandticket und gegen eine erweiterte Förderung von Dienstwagen ausgesprochen. Der Haushalt 2025 und die geplante Wachstumsinitiative sollten sich an sozialer Gerechtigkeit und Klimaschutz orientieren, forderten die zwölf Organisationen in einem Appell, der der Nachrichtenagentur AFP am Dienstag vorlag. Dazu gehöre auch, den monatlichen Preis für das Deutschlandticket stabil zu halten.
Die Regierung hatte Anfang Juli ein Eckpunktepapier für eine wirtschaftliche Wachstumsinitiative vorgestellt. Demnach soll unter anderem für neu zugelassene „vollelektrische und vergleichbare Nullemissionsfahrzeuge“ eine Sonderabschreibung eingeführt werden. Zudem soll die Deckelung für die Dienstwagenbesteuerung von E-Fahrzeugen erhöht werden – von 70.000 Euro auf 95.000 Euro. Das bedeutet: Liegt das Fahrzeug unter diesem Wert, müssen privat genutzte Dienstwagen monatlich nur mit 0,25 Prozent des Bruttolistenpreises als geldwertem Vorteil besteuert werden.
Mit dieser Maßnahme würde die Bundesregierung den Verbänden zufolge „die soziale Schieflage bei der Dienstwagenbesteuerung verschärfen“ und gleichzeitig „hunderte Millionen Euro Steuereinnahmen“ verlieren. Die geplante Ausweitung gelte zwar nur für E-Autos, parallel bestehen jedoch weiterhin „die milliardenschweren Steuervorteile für Verbrenner-Pkw“, erklärte die Initiative. Der Zusammenschluss forderte stattdessen, die aktuelle Bemessungsgrenze beizubehalten und die Pauschalsätze bei der Versteuerung von Dienstwagen mit Verbrennungsmotor und Plug-in-Hybriden auf zwei Prozent anzuheben.
Das setze „einen zusätzlichen Anreiz zugunsten von E-Autos, die aber kostenneutral innerhalb des Systems gegenfinanziert werden können“, erklärte Michael Müller-Görnert vom Verkehrsclub Deutschland (VCD). Mit den verbleibenden Mitteln könne die nachhaltige Mobilität gefördert werden.
„Verkehrspolitik aus den Asphalt-Achzigern“
Gleichzeitig sei es wichtig, das Deutschlandticket bis 2026 stabil bei 49 Euro zu halten. Dafür seien „langfristige Investitionen notwendig“, mahnte Christiane Averbeck, Geschäftsführerin der Klima-Allianz Deutschland. Derzeit sei aber kein zusätzliches Geld im Haushalt für das Deutschlandticket eingeplant.
Greenpeace kritisierte die Planungen ebenfalls scharf: „Das wäre eine Verkehrspolitik aus den Asphalt-Achtzigern“, erklärte Martin Kaiser, geschäftsführender Vorstand Greenpeace Deutschland, schädlich für das Klima und „noch dazu schreiend ungerecht“. Averbeck von der Klima-Allianz fügte hinzu, ohne weitere Finanzmittel vom Bund für Personal, Busse und Bahnen sowie das Deutschlandticket werden Menschen noch weit über 2030 hinaus auf Pkw angewiesen sein.
Neben den genannten Organisationen unterschrieben auch der Auto Club Europa (ACE) und der Sozialverband Deutschland sowie sieben weitere Verbände den Appell. Das Bundeskabinett will sich am Mittwoch mit dem Haushalt für das kommende Jahr sowie der Wachstumsinitiative befassen.
Die Grünen forderten ein „eindeutiges Signal aus Politik und Branche“ zum Deutschlandticket, um die Zahl der Nutzenden zu steigern. Nötig sei die Einrichtung einer Koordinierungsstelle Nahverkehr, „in der alle Beteiligten intensiv daran arbeiten, die Nutzungszahlen deutlich zu steigern“, erklärte der Grünen-Verkehrspolitiker Stefan Gelbhaar zu der Initiative der Verbände.
Leser*innenkommentare
Offebacher
Der Streit ums Auto ist auch bezeichnend für die Käseglocke Berlin-Mitte versus die Käseglocke plattes Land.
Deutschland triftet immer mehr auseinander, in den USA werden die ländlichen Gegenden zwischen Rocky Mountains und Appalachen "Fly-Over-States" genannt, mit denen New Yorker und Kalifornier nichts zu tun haben wollen. Das Ergebnis ist Trump, zwar ein New Yorker, der sich aber gebärdet (und gewählt wird) wie ein "Redneck". Ursprünglich auch eine Abwertung von Städtern für Menschen, die sich bei der (Feld-)arbeit einen Sonnenbrand im Nacken holen. Hier sieht es inzwischen nicht besser aus.
DiMa
Was die Verbände einfach übersehen, ist dass die aus ihrer Sicht zu streichenden Massnahmen bestimmte Zwecke erfüllen. Klar kann ich das sogenannte Dienstwagenprivileg abschaffen, nur dann schließen halt ein paar Werke (ganz besonders schön in Zeiten eines aufkommenden Wirtschaftskrieges mit China und mglweise auch mit den USA).
Am Ende wäre der Nettoverlust aus fehlenden Einnahmen der Jobs und höheren Sozialausgaben höher als die Ausgaben des sogenannten Dienstwagenprivilegs.
In Anbetracht der derzeitigen Glanzleistungen unseres Wirtschaftsministers wäre das ja noch so eine Art Krönchen zum Ende der Legislaturperiode.
Farang
Die "Verkehrspolitik aus den Asphalt-Achtzigern" hat aber wenigstens allen Menschen gleichermaßen Zugang zu Mobilität ermöglicht - davon ist der ÖPNV Lichtjahre entfernt. Für einen sehr großen Teil der Bevölkerung ist es schlicht komplett egal ob "das Deutschlandticket bis 2026 stabil bei 49 Euro" bleibt, weil für sie kein realistisches ÖPNV-Angebot besteht.
Dazu zähle ich auch alle Dörfer, die im 60-Minuten-Takt oder schlechter angeschlossen sind. Das ist kein ÖPNV mit dem man einen vernünftigen Alltag bestreiten kann: arbeiten, Termine wahrnehmen, etc...
Da spricht sich der Berliner mit seinem 5 oder 10 Minutentakt leicht.
Wirklich sozial gerecht wäre es jedem Menschen einen Zugang zur Individualmobilität zu ermöglichen und nicht immer im 'Namen des Klimaschutzes' und der 'Interessen der sozial Schwachen' Subventionen für ein Mobilitätskonzept zu fordern, das nur städtisch wohnenden Menschen wirklich zur Verfügung steht.
Im Falle von Berlin bspw gibt es 15% Bürgergeldempfänger, zuzüglich Studenten und Kindern wird also einem extrem großen Anteil dort ein Mobilitätsangebot zu einem völlig unrealistischen Preis von der Allgemeinheit finanziert - DAS ist schreiend ungerecht.