Kinoempfehlungen für Berlin: Mit großem Schwung

In dieser Woche wird getanzt: in brillanten Farben mit Audrey Hepburn, queer-feministisch im indischen Film, und mit Catherine Deneuve am Meer.

„Les demoiselles de Rochefort“ (1967 ), Regie: Jacques Demy Foto: Arsenal – Institut für Film und Videokunst e. V.

Retrospektiv betrachtet besaß das alte Hollywood-Studiosystem einen nicht zu leugnenden Vorteil: Geschickte Fil­me­ma­che­r:in­nen konnten das komplett auf großen Publikumsappeal ausgerichtete System auch für ihre avantgardistischen Ideen nutzen – zumindest solange sie sich im Rahmen akzeptierter Genrekonventionen bewegten.

Das beste Beispiel dafür ist fraglos das künstlerisch ambitionierte Musical der 1950er Jahre, in dem Experimente im Umgang mit Kamera, Farbe, Dekors und Bildformaten an der Tagesordnung waren. Mit Stanley Donens „Funny Face“ (1956) ist im Rahmen einer Audrey-Hepburn-Retrospektive im Babylon Mitte jetzt einer der besten Filme jener Gattung zu bewundern.

Basierend auf dem Musical „Wedding Day“, in dem Drehbuchautor Leonard Gershe eine Episode aus dem Leben des amerikanischen Modefotografen Richard Avedon verarbeitete, weist der Film durchgängig eine brillante Farbdramaturgie auf und lehnt die Sequenzen der Modefotografie dabei an den Stil Avedons an, der seine Modelle gern mitten in der Bewegung aufnahm.

Auch die sich ankündigenden Umwälzungen im Leben der intellektuellen Buchhändlerin Jo zeigt der plötzliche Einbruch von Farbe in ihr bislang recht schattiges Dasein an: Während ihrer ersten Musiknummer „How Long Has This Been Going On?“ – Audrey Hepburn singt (anders als später in „My Fair Lady“) ihre Lieder in „Funny Face“ sehr charmant selbst – findet Jo in ihrem düsteren Buchladen einen gelb-orangefarbenen Hut mit zwei langen grünen Schleiern, der bei den Modeauf­nahmen liegengelassen wurde.

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Die Lichtführung konzentriert sich nunmehr allein auf Jos Gesicht und auf diesen Hut, dessen Farben in dem dunklen Raum geradewegs zu leuchten scheinen. Ansonsten gibt es viel Musik von George und Ira Gershwin sowie den großen Fred Astaire in der Rolle des Fotografen – besser geht es nicht (15.7., 18 Uhr, Babylon Mitte).

Die bedeutendste Hommage an das amerikanische Filmmusical entstand dann rund ein Jahrzehnt später in Frankreich unter der Regie des Musikfilmenthusiasten Jacques Demy: „Les demoiselles de Rochefort“ (1967) nimmt vor allem die Idee von „On the Town“ (1952) von Stanley Donen und Gene Kelly auf, ein sogenanntes „integrated“ Musical, in dem sich die Tänze aus Alltagssituationen heraus entwickeln und die Liedtexte die Dialoge weiterführen, an Originalschauplätzen zu drehen: Gute vier Monate mietete sich das Filmteam dafür in Rochefort an der Atlantikküste ein und strich dabei unter anderem auch den Ortskern der Marinestadt neu an.

Catherine Deneuve und ihre Schwester Françoise Dorléac verkörpern hier mit großem Schwung Zwillinge auf der Suche nach der idealen Liebe, die auf keinen Fall als Musik- und Tanzlehrerinnen in der Provinz versauern wollen, sondern von einer großen Karriere in Paris träumen.

Neben den charmanten Schwestern sorgen mit dem Idol Gene Kelly und George Chakiris (der Star aus der „West Side Story“) auch noch gleich zwei Tanzgrößen aus den USA für die entsprechende Musical-Authentizität. Zu sehen ist der Film im Rahmen einer Reihe mit Vorführungen von 70mm-Kopien im Kino Arsenal (16.7., 20 Uhr, Kino Arsenal).

Tanz zum Dritten: Im Rahmen der am 14.7. endenden Ausstellung zum Werk der Fernsehjournalistin Navina Sundaram gibt es im Kulturquartier silent green ihre 45-minütige Reportage „Hinter jedem Vorhang“ (1989) zu sehen, die einen feministisch geprägten Theaterworkshop in Kasauli, Indien dokumentiert.

Im Anschluss an die Vorführung diskutieren die Filmemacherin, Autorin und Kuratorin Madhusree Dutta und die queer-feministische Performerin und Aktivistin Ponni Arasu. Ein kostenloses Ticket gibt es unter anderem hier (11.7., 19.30 Uhr, Betonhalle im silent green).

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Lars Penning, geboren 1962. Studium der Publizistik, Theaterwissenschaft und der Allgemeinen und Vergleichenden Literaturwissenschaft an der FU Berlin. Freier Filmjournalist. Buchveröffentlichungen: Cameron Diaz (2001) und Julia Roberts (2003). Zahlreiche filmhistorische und –analytische Beiträge für verschiedene Publikationen. Lebt in Berlin.

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