Der Kanzler plant, weiter Kanzler zu bleiben

Olaf Scholz ist zufrieden mit seiner Bilanz: mehr Abschiebungen, mehr Sanktionen gegen Bürgergeldempfänger:innen. Und ist überzeugt: So klappt es mit der Wiederwahl

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD, Mitte) macht sich nach seiner Sommerpressekonferenz auf in den Urlaub Foto: Fo­to:­ Bernd von Jutrczenka

Von Anna Lehmann

Olaf Scholz ist gut gelaunt. Lächelnd betritt er die Berliner Bundespressekonferenz und teilt den wartenden Jour­na­list:in­nen mit: „Wir waren noch mal fleißig heute.“ Das Kabinett hat zum letzten Mal vor seinem Urlaub getagt. Die Botschaft: Es läuft.

Zufrieden ist der Bundeskanzler mit seiner Bilanz. Etwa beim Thema Abschiebungen. Dass die Zahl der Rückführungen zuletzt um 30 Prozent gestiegen ist, „dass ist gewollt und soll auch so bleiben“. Es sei ganz wichtig, die „irreguläre Migration zu begrenzen“, um die Arbeitsmigration und die „echten Flüchtlinge“ zu schützen, meint Scholz. Und er unterstreicht: „Dürfen wir uns aussuchen, wer nach Deutschland kommt? Die Antwort lautet Ja.“

In der SPD wurde der Kanzler im Dezember noch dafür kritisiert, dass er im Spiegel erklärt hatte: „Wir müssen endlich in großem Stil abschieben.“ Wahlweise wurden aber auch Jour­na­lis­t:in­nen angeprangert, dass „Olaf“ falsch verstanden worden sei. Nein, Scholz wollte genauso verstanden werden und hat deshalb auch eine – aus seiner Sicht – gute Nachricht anzukündigen: Man sei dabei, Abschiebungen nach Afghanistan und nach Syrien vorzubereiten – „Sie können bald berichten“, verspricht er.

Auch beim Thema Bürgergeld sieht Scholz seine Regierung auf einem guten Weg. Die Ampel hat beschlossen, den Druck auf Bür­ger­geld­emp­fän­ge­r:in­nen zu erhöhen und Sanktionen und Meldepflichten zu verschärfen. So soll der Regelsatz künftig schon beim ersten Terminversäumnis um 30 Prozent gekürzt werden, der Umkreis der Arbeitssuche ausgeweitet und die Grenze dessen, was als zumutbare Arbeit gilt, gesenkt werden. Alles Maßnahmen, die er, so Scholz, „unterstreichen kann“. Da klingt er fast schon fast wie seine Vorgängerin Angela Merkel in ihren neoliberalen Anfangsjahren als Kanzlerin. Die SPD wollte mit dem Bürgergeld eigentlich weg von der Maxime, dass man Menschen nur genug gängeln müsse, damit sie freiwillig in jede Form von Ausbeutung einwilligten. Aber der gesellschaftliche Zeitgeist hat sich eben gedreht. Und mit solchen Wendungen hofft Scholz auch die Stimmung für die SPD wieder gedreht zu bekommen. Und kündigt 14 Monate vor der nächsten Bundestagswahl an: „Ich werde als Kanzler antreten, erneut Kanzler zu werden.“ Damit ist Scholz seiner eigenen Nominierung und Zweifeln in der SPD zuvorgekommen: Nur ein Drittel der SPD-Mitglieder halten ihn einer Umfrage zufolge für den geeigneten Kanzlerkandidaten.

Auch außenpolitisch bewegt sich der Kanzler mitunter quer zum Diskurs. Seine Ankündigung, dass in Deutschland wieder amerikanische Mittelstreckenraketen stationiert werden, stieß selbst in der eigenen Partei auf Kritik. Scholz verteidigte seinen Entschluss: „Jetzt geht es darum, dass wir unsere Sicherheit auch durch die notwendige Abschreckung gewährleisten, damit es eben nicht zu einem Krieg kommt.“ Und unterstrich: Rolf Mützenich und er handelten „gemeinschaftlich“. Doch genau danach sieht es nicht aus. Eine Stationierung von Atomwaffen schloss Scholz immerhin aus.

„Dürfen wir uns aussuchen, wer nach Deutschland kommt? Die Antwort lautet Ja“

Olaf Scholz, Kanzler

Auch an der militärischen Unterstützung Israels hält Deutschland trotz des jüngsten Gutachtens des Internationalen Gerichtshofs fest, dass die is­rae­lische Besatzung palästinensischer Gebiete völkerrechtswidrig sei und schnellstens beendet werden müsse. Scholz in Scholzisch: „Wir haben nicht entschieden, dass wir keine Waffen liefern. Also werden wir und haben wir.“ Einen Boykott von israelischen Waren findet er „eklig“. Was also macht Deutschland konkret? „Wir handeln, wir sprechen“, sagte Scholz. Allerdings hat sich Israels rechte Regierung bislang vom Gerede der Deutschen unbeeindruckt gezeigt.

Innenpolitische Baustellen: im Haushalt ein Milliardenloch, Prüfaufträge laufen. Für die nächsten Wochen nicht Scholz’ Problem. Nach Auskunft seines Sprechers weilt er im „befreundeten europäischen Ausland“.