Susanne Knaul über den Bericht von Human Rights Watch
: Besser nie als zu spät

Es macht einigermaßen sprachlos zu lesen, dass Human Rights Watch (HRW) jetzt mit der Nachricht an die Öffentlichkeit geht, die Hamas habe am 7. Oktober vergangenen Jahres Kriegsverbrechen begangen.

Dass die internationale Menschenrechtsorganisation fast zehn Monate brauchte, um zu dieser Erkenntnis zu kommen, muss in Israel wie ein schlechter Witz ankommen. Denn die grausamen, von den Tätern zum Teil selbst aufgenommenen Videos liefen hoch und runter in den sozialen Netzwerken, auf Youtube und in diversen Medien.

Deutlich schneller kam HRW zu der Einsicht, dass kollektive Strafmaßnahmen von israelischer Seite, wie die Unterbrechung der Energieversorgung für den Gazastreifen, einem Kriegsverbrechen gleichkommen würden. Das schreibt HRW bereits am 9. Oktober 2023, also zwei Tage nach dem Hamas-Massaker, in dem veröffentlichten Bericht, der gleichzeitig ausführlich auf die „Apartheid“ im Westjordanland, die Gewalt der SiedlerInnen und dort begangene „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ eingeht.

Die Vorwürfe gegen Israel sind zweifellos angebracht und gegen die SiedlerInnen allemal, nur eben nicht bei dem offensichtlichen Versuch, den Horror vom 7. Oktober zu relativieren. Nicht von ungefähr verabschiedete sich die leitende Redakteurin der Menschenrechtsorganisation Danielle Haas nach 13-jähriger Mitarbeit noch im November mit scharfer Kritik an der NGO, der es an Faktentreue und Fairness mangele. Und mit der Aufforderung, die „Menschenrechte aller zu verteidigen“.

Relativierungen oder der Versuch einer Rechtfertigung von Menschenrechtsverletzungen sind so wenig hilfreich wie die Hierarchisierung der Opfer. Die große Verspätung, mit der der Bericht nun an die Öffentlichkeit kommt, verstärkt nur den Eindruck, dass HRW Unterschiede macht zwischen israelischen und palästinensischen Opfern von Menschenrechtsverletzungen.

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