Frankreichs Klimapolitik nach den Wahlen: Zu viele offene Fragen

Kommt ein CO2-Budget für die Sektoren? Was wird aus der französischen Klimabewegung? Alles hängt davon ab, welche Koalition in Paris zustande kommt.

Demonstrant versteckt seinen Kopf hinter einem gelben Anti-Atomplakat

Bei einer Mehrheit der extremen Rechten hätten atomkritische Bewegungen um Finanzierungsmöglichkeiten fürchten müssen Foto: imago

PARIS taz | „Was für eine Erleichterung“, sagt Laurence Tubiana und meinte damit die Niederlage des rechten Populismus in Frankreich bei der zweiten Stichwahl am ersten Juliwochenende. Tubiana ist Vorsitzende der Europäischen Klimastiftung und hat beim Pariser Klimaabkommen die Verhandlungen für Frankreich geführt.

Gut eine Woche später ist immer noch völlig unklar, wie die neue Regierung aussieht. Das siegreiche Linksbündnis hat sich bislang noch auf keinen Kandidaten für das Amt des Premierministers geeinigt. Auch Präsident Emmanuel Macrons Bemühungen, die konservativen Républicains, die Sozialisten oder weitere Partner für eine große Koalition oder die Tolerierung einer Minderheitsregierung zu gewinnen, waren erfolglos. Trotzdem sind sich Umweltorganisationen und Klimaschützer einig, dass das Schlimmste ausgeblieben ist.

„Der Rassemblement National an der Macht wäre das Ende aller Ambitionen für einen gerechten und ehrgeizigen ökologischen Übergang gewesen, der so dringend notwendig ist“, heißt es in einem Statement von Greenpeace. Auch bei der europäischen Denkfabrik Strategic Perspectives herrscht Erleichterung. Ihre Experten hatten eine Verlangsamung der „europäischen Integration und des grünen Übergangs“ befürchtet, falls rechtsextreme Abgeordnete die Mehrheit in der Nationalversammlung hätten.

Der Rassemblement National (RN) hat aus seiner Abneigung gegen Umwelt-NGOs nie einen Hehl gemacht. Er will den Prozess des Umweltdialogs und die Finanzierung dieser Organisationen stoppen.

Unsichere Finanzierung

Bei der Debatte über den Haushaltsentwurf 2024 etwa hatten mehrere RN-Abgeordnete in einem Änderungsantrag gefordert, die staatliche Budgethilfe in Höhe von 700.000 Euro für atomkritische Organisationen und Initiativen, die sich für zivilen Ungehorsam aussprechen, zu streichen. Genannt wurden insbesondere das Climate Action Network, Friends of the Earth und France Nature Environnement. „Wenn wir nicht mit der Politik einverstanden sind, werden uns die Zuschüsse gestrichen“, fasst Anne Bringault, Programmdirektorin des Climate Action Network, zusammen. Für ihre Organisation machen die Zuschüsse zwischen 30 und 40 Prozent des Budgets aus.

Sébastien Treyer, Direktor des Thinktanks IDDRI, der sich mit dem nachhaltigen Übergang beschäftigt, gibt allerdings zu denken, dass die politische Landschaft endgültig in drei Blöcke zerfallen ist. Das lasse „eine stark polarisierte französische Gesellschaft erkennen, die ihre Angst, ihre Unzufriedenheit und ihr Misstrauen zum Ausdruck bringt“, sagt er. „Die erste Dringlichkeit besteht darin, einen Gesellschaftsvertrag und die Fähigkeit zu verhandeln wieder aufzubauen.“

Da kein Programm die absolute Mehrheit bekommen habe, müssten die französischen Parteien der Linken und der Mitte nun „die Kultur der Koalition lernen“, sagt auch der Renaissance-Europaabgeordnete Pascal Canfin. „Dieser Koalitionsgeist funktioniert in vielen europäischen Ländern, er kann auch bei uns erfolgreich sein.“ Als damaliger Vorsitzender des Umweltausschusses des Europäischen Parlaments war Canfin in der letzten Amtszeit an vorderster Front damit beschäftigt, Koalitionen zwischen der europäischen Rechten, den Sozialisten, den Liberalen von Renew und den Umweltschützern aufzubauen, um den European Green Deal zu verabschieden.

Offene Gesetzesvorhaben

Welche Koalition nun in Frankreich zustande kommt, ist nicht nur generell wichtig für die französische Klima- und Umweltpolitik, sondern auch für ganz konkrete Vorhaben. Denn die von Macron beschlossene Auflösung des letzten Parlaments hat dazu geführt, dass viele Gesetzgebungsprozesse eingefroren wurden. Dazu zählen eine ganze Reihe von Gesetzen, die mit der Klimapolitik und dem ökologischen Übergang zusammenhängen. Andere Maßnahmen – wie die Reduzierung des Pestizideinsatzes in der Landwirtschaft – hatte die Regierung Macron schon vorher unter dem Druck der Bauernproteste aufgegeben.

Zu den Gesetzen, die sich nun in der Warteschleife befinden, gehören so wichtige wie die Dekarbonisierungsstrategie für den Zeitraum 2024 bis 2033. Diese sieht vor, dass für jeden Sektor ein CO2-Budget festgelegt wird, also ein Niveau an Treibhausgasemissionen, das nicht überschritten werden darf. Auch die neue mehrjährige Energieplanung und der nationale Plan zur Anpassung an den Klimawandel hängen aktuell. Ebenso wie der seit zwei Jahren erwartete Gesetzesentwurf zur Ausrichtung der Landwirtschaft und der Gesetzesvorschlag für ein Verbot der sogenannten Ewigkeitschemikalien PFAS, per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen, die als krebserregend gelten, aber immer noch in vielen Alltagsprodukten verwendet werden, weil sie sie fett- und wasserabweisend machen.

Die Zukunft all dieser Vorhaben wird davon bestimmt, wie sich die neue Regierung zusammensetzt – und welche Mehrheiten das in der Nationalversammlung bedeutet.

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