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das portraitDie Judoka Renée Luchthat Comeback-Qualitäten

Fährt nach Paris zu den Olympischen Spielen: Judoka Renée LuchtFoto: Sabau Gabriela/IJF

Mit „sanfter Weg“ lässt sich der japanische Begriff Judo im Wortsinne übersetzen. Bezogen auf ein ganzes Turnier, kann der Weg zum angestrebten Erfolg aber auch so beschwerlich und holprig sein, dass man sich schon früh in der Böschung wähnt, geknickt und niedergeschlagen.

Und dann wird einem unvermittelt aufgeholfen, und es geht doch weiter. Mit jedem überwundenen Hindernis und jedem Schritt wachsen Mut und Zuversicht. Und am Ende erreicht man sogar die sonnigste Stelle – eine Position, von der man zum Beginn der Reise kaum zu träumen gewagt hatte.

Die 25 Jahre alte Hamburgerin Renée Lucht hat eine solche Erfahrung im vergangenen März beim Grand Slam in der georgischen Hauptstadt Tiflis gemacht. Für die Schwergewichtlerin (Klasse über 78 kg), die im ­April 2022 einen Kreuzbandriss im linken Knie erlitten hatte, fühlte es sich schon nach dem ersten Kampf an, als sei alles vorbei. Zunächst wurde ihre Gegnerin Kinga Wolszczak zur Siegerin erklärt. Dann aber sah sich das Schiedsgericht noch einmal die Videobilder an und entschied, dass die Polin ihren Kopf als Hebel eingesetzt und sich so selbst gefährdet hatte. „Wir hatten uns schon verbeugt und die Matte verlassen, als meine Gegnerin zurückgerufen wurde“, so Lucht, die plötzlich doch weitermachen durfte.

Und wie sie das tat! Sie gewann ihre folgenden vier Kämpfe, unter anderem im Halbfinale gegen die Olympiasiegerin und zweimalige Weltmeisterin Akira Sone (Japan) und im Finale gegen die Junioren-Weltmeisterin Coralie Hayme (Frankreich). Dieser Triumph beim Grand Slam in Tiflis war der entscheidende Schritt dazu, dass Renée Lucht den Sommer in Paris verbringen wird – als Teilnehmerin an den Olympischen Spielen, die am 26. Juli beginnen. Für sie ist es eine Premiere.

„Man konnte sich das über die Punkte in der Rangliste ausrechnen, dass es reichen würde. Es war ein sehr schönes Gefühl“, sagt Lucht im Gespräch mit der taz. Ein Traum wurde wahr für die Norddeutsche, die im Alter von gerade einmal vier Jahren mit Judo begann und noch immer für ihren Hamburger Verein HT 16 startet, obwohl sie seit ihrem Abitur 2018 am Bundesstützpunkt in Berlin-Hohenschönhausen trainiert.

Dort wurde die Sportsoldatin und Sonderpädagogik-Studentin von den anderen Athletinnen und Athleten für die geschaffte Olympia-Qualifikation auf eine sehr nette Art gefeiert: Es gab einen Marmorkuchen für Lucht, obendrauf die olympischen Ringe aus bunten Schoko­linsen geformt – und ein Eiffelturm aus Papier gebastelt.

Sie zählt bereits die Tage bis zur Eröffnungsfeier in Paris, die in der Innenstadt stattfindet und eine Flussparade auf der Seine umfasst. „Ja, das Kribbeln ist schon da“, sagt Lucht. Am 2. und 3. August wird es dann ernst. Zuerst steht die Entscheidung im Einzel an, tags darauf im Team. Was sportlich möglich ist? Lucht muss bei der Frage nicht lange überlegen: „Es ist immer alles offen, jeder ist schlagbar. Ich will an beiden Tagen das Beste zeigen, was möglich ist“, sagt die Hamburgerin und präzisiert dann schnell: „Ich möchte dort den besten Tag meines Lebens haben.“ Christian Görtzen

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