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Schlafplätze zwischen Müll und Trümmern

In Gaza spielt sich derzeit eine der größten humanitären Katastrophen ab. Nun müssen auch die Be­woh­ne­r:in­nen von Gaza-Stadt in andere Orte fliehen

Aus Jerusalem Lisa Schneider

Während in Deutschland über Haushaltskürzungen in der Entwicklungszusammenarbeit diskutiert wird, setzt sich in Gaza eine der größten humanitären Krisen fort. Nun sollen auch die Be­woh­ne­r:innen sowie die Binnen­geflohenen in Gaza-Stadt das Gebiet verlassen, in der Regel ein Anzeichen für bevorstehende israelische Militäreinsätze. Die „Evakuierung“ werde sich negativ auf die humanitäre Hilfe für die Menschen im Gazastreifen auswirkten, warnte Ocha, das Amt der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten.

Als temporäre Unterkunft weist das Militär Deir el-Balah sowie az-Zawaida an. Mindestens 75.000 Ein­woh­ne­r:innen hatte Deir el-Balah vor dem Krieg, az-Zawaida über 25.000. In Gaza-Stadt lebten mehr als 580.000 Menschen. Wie sie in den beiden Kleinstädten Platz finden sollen, lässt das Militär offen.

Nach Angaben von Ocha, seien geschätzt neun von zehn Menschen in Gaza mittlerweile Binnengeflüchtete, auch wenn Medienberichte und Videos in den sozialen Medien nahelegen, dass manche Geflohene zumindest temporär wieder in ihre Häuser oder deren Überreste zurückgekehrt sind.

Andere mussten wiederum mehrfach fliehen: Ein Video in den sozialen Medien, das über 5.000-mal geteilt wurde, zeigt ein junges Mädchen, das ein hustendes Kleinkind im Arm hält. Mehr als zehnmal seien sie bereits weiter­geflohen, sagt sie, den Tränen nahe: „Wir laufen weiter.“

Bereits vor wenigen Tagen rief das israelische Militär zur „Evakuierung“ von Teilen von Gaza-Stadt auf, nach Angaben von Ocha schlafen viele von ihnen nun zwischen Müll und Trümmern, ohne Matratzen und mit wenig Kleidung. Dass so viele Menschen nun auf einmal in die bereits überfüllten, vom israelischen Militär als solche ausgewiesenen Sicherheitszonen drängen, wird wohl auch die medizinische Versorgung dort weiter erschweren. Laut Ocha seien in Deir el-Balah derzeit drei Krankenhäuser teilweise operabel, dazu kommen etwa ein Dutzend Gesundheitseinrichtungen.

Auch die Versorgung mit Trinkwasser bleibt im ganzen Gazastreifen angespannt. Bereits im Mai berichtete die BBC, dass mehr als die Hälfte aller Wasserspeicher und Reinigungsanlagen in ganz Gaza zerstört seien. Je mehr Menschen in die sogenannten humanitären Zonen flüchten, desto länger werden dort wohl die Schlangen, in die sich die Menschen laut verschiedener Medienberichte anstellen müssen, um Trinkwasser zu bekommen.

Auch Lebensmittel sind nicht ausreichend verfügbar: Nach Angaben von Cogat, einer dem israelischen Verteidigungsministerium untergeordnete Koordinierungsstelle für Regierungsaktivitäten in Gaza und dem West­jor­dan­land, seien zwar am Mittwoch insgesamt 261 Lastwagen mit humanitären Gütern nach Gaza eingefahren. Doch laut Ocha seien schon seit einem Monat keine Lastwagen mit kommerziellen Gütern mehr eingetroffen. Und die humanitären Lieferungen enthielten meist Mehl und Dosenessen, aber kein Fleisch und frisches Gemüse. Außerdem bleibt die Verteilung der Güter schwierig – durch die Kampfhandlungen, aber auch weil immer wieder Lager ausgeraubt werden, wie verschiedene Medien berichten.

Nach Angaben von OHCHR, des Büros des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte, mehrten sich außerdem die Anzeichen für eine „Hungersnot im gesamten Gazastreifen“. Das legten die Tode mehrerer palästinensischer Kinder wegen Hungers und Mangelernährung nahe, berichtet eine von OHCHR zitierte Gruppe von Experten.