Rechtsaußen-Fraktion im EU-Parlament: Rufe nach der Brandmauer

Die Rechtsaußen-Fraktion „Patrioten in Europa“ fordert im Europaparlament Posten, mehr Geld und Redezeit. Grüne und S&D wollen die Rechten isolieren.

Ein zerissenes Wahlplakat mit dem Bild von Jordan Bardella.

Geleitet wird die Fraktion „Patrioten für Europa“ von Jordan Bardella vom RN aus Frankreich Foto: Benoit Tessier/reuters

BRÜSSEL taz | Unruhe im Europaparlament: Eine Woche vor der konstituierenden Sitzung in Straßburg hat sich eine große Rechtsaußen-Fraktion der „Patrioten für Europa“ formiert. Sozialdemokraten und Grüne fürchten, dass sie das im Juni neu gewählte Parlament aufmischen und wichtige EU-Gesetze blockieren könnten – und rufen nach einer Brandmauer.

Die neue Fraktion geht auf eine Initiative des ungarischen Rechtspopulisten Viktor Orbán zurück. Geleitet wird sie von Jordan Bardella vom rechtsextremen Rassemblement National, der auch als neuer Premier in Paris im Gespräch war. Sie verfügt nach eigenen Angaben über 84 Abgeordnete aus 12 EU-Ländern. Damit dürften die „Patrioten“ aus dem Stand drittstärkste Kraft im EU-Parlament werden, hinter der konservativen EVP und der sozialdemokratischen S&D. Die bisher drittplatzierte liberale „Renew“ fällt auf den fünften Platz zurück. Davor liegen noch die „Europäischen Konservativen und Reformer“ (EKR), eine weitere rechte Gruppe.

Umstritten ist, was das neue Ranking für die Machtverteilung bedeutet. Die Rechten fordern wichtige Ausschussposten, mehr Redezeit und mehr Geld. Doch die drei großen proeuropäischen Fraktionen wollen ihre Macht nicht teilen. Inoffiziell haben sie die wichtigsten Parlamentsposten bereits unter sich aufgeteilt. Sozialdemokraten und Grüne gehen noch weiter: Sie wollen die Rechten nicht nur ausbremsen, sondern isolieren.

„Diese abenteuerliche rechtsextreme Sammelbewegung darf keine Ausschussvorsitze bekommen, weil ihr einziges Ziel ist, Europa zu blockieren“, sagte Terry Reintke, Co-Fraktionschefin der Grünen. „Die Brandmauer nach rechts muss standhaft sein“, forderte die SPD-Politikerin Katarina Barley, die bisher Vizepräsidentin des Parlaments war. Man müsse sicherstellen, dass niemand mit den Rechten zusammenarbeite. „Dadurch werden die Möglichkeiten der neuen Rechten begrenzt, konstruktive Politik zu sabotieren“.

Meloni macht Dampf

Bisher gab es nur einen sogenannten Cordon sanitaire, eine eher unverbindliche Abgrenzung. Sie hat die konservative EVP, der auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) angehört, nicht daran gehindert, gemeinsam mit Rechtsaußen-Politikern gegen missliebige Umwelt- und Klimagesetze zu stimmen.

Bei der Europawahl sind die Rechten noch stärker geworden als in der letzten Legislaturperiode. Die Staats- und Regierungschefs haben das ignoriert und die EU-Spitzenposten vor zwei Wochen unter sich aufgeteilt. Umso größer wird nun der Druck im Parlament, die rechten Abgeordneten mitreden zu lassen.

Dampf machen will vor allem Italiens postfaschistische Regierungschefin Giorgia Meloni, die über ihre Partei Fratelli d’Italia die EKR-Fraktion steuert – und Frankreichs Nationalistenführerin Marine Le Pen. Nach der Niederlage bei der Parlamentswahl in Paris gewinnt sie in Brüssel an Einfluss über ihren „Ziehsohn“ Bardella. Dieser brüstet sich damit, die Abgeordneten seines Rassemblement National seien nun Teil „einer großen Fraktion, die das Kräfteverhältnis in Europa beeinflussen wird“.

Bei den „Patrioten“ stellt seine Partei mit 30 Abgeordneten die größte Gruppe. Ungarns Fidesz-Partei kommt auf 10, die österreichische FPÖ auf 6 Abgeordnete. Weiter außen vor ist dagegen die AfD. AfD-Chefin Alice Weidel hatte einen Beitritt zu Bardellas und Orbáns neuer Fraktion zunächst ausgeschlossen. „Wir sind in Freundschaft verbunden“ erklärte sie. Doch außenpolitisch und „außenwirtschaftlich“ liege man nicht auf einer Linie. Vor allem die Ukrai­ne- und China-Politik sorgt für Streit unter den Nationalisten.

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