Branche hofft auf das Dienstrad

Der Absatz sinkt, die Stimmung auf Europas größter Fahrradmesse Eurobike ist gedämpft. Das Leasinggeschäft soll nun helfen

Schicke Räder, maue Verkaufszahlen: ein Gravelbike auf der Eurobike Foto: Frank Rumpenhorst/dpa

Aus Frankfurt am Main Yağmur Ekim Çay

Viele Kinder, viel Gewusel, kilometerlange Gänge: Wer in der vergangenen Woche die Messe Frankfurt besuchte, konnte sich leicht überfordert fühlen. Denn dort fand zum 32. Mal Europas größte Fahrradmesse Eurobike mit zehntausenden Besucherinnen und Besuchern statt. 1.800 Mes­se­aus­stel­le­r:in­nen waren gekommen, doch die Stimmung war aufgrund der aktuellen Marktlage und der gesunkenen Nachfrage nach Fahrrädern etwas gedämpft.

„Die Coronapandemie hat erst mal die Nachfrage nach E-Bikes sehr hoch getrieben. Dann haben natürlich viele Hersteller viele Fahrräder produzieren lassen, viele Händler viele Fahrräder kaufen können“, erzählt Bastian Panni vom Heidelberger E-Bike-Unternehmen Coboc. „Aber in den letzten Jahren gab es plötzlich Inflation“, so Panni. Statt Wachstum sei die Nachfrage eher konstant geblieben, was dazu geführt habe, dass relativ viele Fahrräder unverkauft auf dem Lager geblieben seien. „Die Fahrradbranche hat aber ein bisschen daraus gelernt“, sagt der Marketingleiter. Derzeit „entspannt sich die Lage“.

In den ersten vier Monaten dieses Jahres sind in Deutschland erneut weniger Fahrräder verkauft und hergestellt worden. Der Absatz ging bis Ende April mit 1,45 Millionen Rädern um rund 10 Prozent zurück, berichtet der Industrieverband ZIV. Vor allem herkömmliche Fahrräder verkauften sich mit 650.000 Einheiten um fast 20 Prozent schlechter als im gleichen Vorjahreszeitraum, der Verkauf der teureren und wirtschaftlich wichtigeren E-Bikes blieb mit 800.000 Stück nahezu konstant.

Mit einem erneut gestiegenen Durchschnittspreis von knapp 3.000 Euro sind die E-Bikes für Hersteller und Handel das weit lukrativere Geschäft als die mit Muskelkraft getriebenen „Bio-Bikes“.

Ab 2025 rechnet der Verband allerdings mit einer deutlichen Erholung – und weist darauf hin, dass die Verkaufszahlen trotz eines Rückgangs auch im Jahr 2023 immer noch über dem Vor-Corona-Niveau liegen. Noch deutlicher sind die Produktionszahlen der Hersteller geschrumpft, auch hier wegen der vollen Lager. 970.000 Stück bedeuteten einen Rückgang um fast 18 Prozent für alle Fahrrad­typen.

Zugeparkte Radwege, ungeahndetes Rasen auf Land- und Stadtstraßen und eine allgemein fehlende oder ungeschützte Radwegeinfrastruktur seien es, die viele Menschen davon abhielten, das Fahrrad weiter zu nutzen, sagt ZIV-Geschäftsführer Burkhard Stork. „Die Kommunen rufen das Geld vom Bund nicht ab, doch diese sind für den Ausbau der Infrastruktur vorwiegend in der Verantwortung.“ Auch der Geschäftsleiter von Bosch eBike Systems, Claus Fleischer, beklagt „Gegenwind aus der Politik“. Das betreffe unter anderem die „Mutlosigkeit bei der Fahrradinfrastruktur und dem Ausbau von Radwegen“, so Fleischer. Er betonte, die Politik müsse erkennen, dass man mit dem Fahrrad und dem E-Bike eine „tolle Alternative für die Mobilität in der Stadt, aber auch für das Freizeitverhalten der Menschen“ habe.

Als Rettungsanker der Branche sehen viele das Fahrradleasing: Die Möglichkeit für Beschäftigte, über ihren Arbeitgeber ein Fahrrad zu leasen, ist im Trend. Laut einer Studie der Unternehmensberatung Deloitte steckt in dem Geschäft mit geleasten Diensträdern noch Potenzial. Trotz des Wachstums der vergangenen Jahre haben erst 37 Prozent der Beschäftigten die Möglichkeit des Dienstradleasings. Von diesen 16,8 Millionen Menschen haben erst knapp 10 Prozent einen Vertrag.

„Mutlosigkeit bei der Fahrradinfrastruktur und Ausbau von Radwegen“

Claus Fleischer, Bosch eBike Systems

„Das Potenzial ist noch lange nicht ausgeschöpft“, sagt Studienautor Kim Lachmann. So gebe es bei den rund 204.000 teilnehmenden Arbeitgebern im Durchschnitt noch rund 90 Prozent der Mitarbeitenden, die nicht leasen. Der Umsatz der Leasinganbieter ist im vergangenen Jahr auf 3,2 Milliarden Euro gestiegen, nach 2,6 Milliarden im Jahr 2022. Sie brachten 790.000 Räder unter die Leute, nach 680.000 Bikes im Jahr zuvor. Dabei lag der Durchschnittspreis der Dienstfahrräder um 1.700 Euro über dem Marktdurchschnitt von 3.500 Euro pro Rad.

Der Grund: der Wunsch nach höherwertigen Fahrrädern. Sascha Sülwald, Teamleiter Fachhandelsbetreuung beim Oldenburger Anbieter mein-dienstrad.de, sagt: „Das Dienstradleasing ist nach wie vor im Boom. Es ist nach wie vor für viele ein sehr interessantes Thema, das merkt man auch hier.“

Natürlich gab es bei der Eurobike auch Innovationen, vor allem im E-Bike-Bereich und bei Lastenrädern. Beide Gattungen sollen leichter und damit einfacher einsetzbar werden. Sogar künstliche Intelligenz wird genutzt, etwa bei der Bosch-Navigationssoftware „Range Control“, die aus Fahrdaten individualisierte Streckenvorschläge erarbeitet.