Eine bessere Zukunft für Kenia

Eine in ganz Afrika beachtete neue Jugendbewegung bringt Kenias Präsident Ruto mit Massenprotesten in Bedrängnis. Auslöser ist ein Staatshaushalt, der viele Menschen ärmer machen wird. Die Inspiration der „Generation Z“ liegt im ewigen Kampf gegen Korruption

Aus Nairobi Maria Macharia

Kenia brennt. Jugendproteste legen die Hauptstadt Nairobi lahm. Sechs Tote und über 50 Verletzte waren am frühen Dienstag nachmittag die vorläufige Bilanz der Straßenschlachten zwischen Polizei und aufgeregten Mitgliedern der Öffentlichkeit im Stadtzentrum. Tausende Protestierende trotzten den Gummigeschossen und Wasserwerfen der Polizei, die versucht hatte, den „Central Business District“ abzuriegeln.

Nachdem sie die Polizeilinien durchbrochen hatten, stürmten Demonstranten den Gebäudekomplex des Parlaments, in dem die Abgeordneten gerade über den Haushaltsentwurf der Regierung von Präsident William Ruto berieten. Die Eindringlinge rissen Flaggen nieder, traten Türen ein und bedienten sich in der Kantine, während draußen mindestens ein Polizeiwagen in Flammen aufging. Auch im Rathaus von Nairobi wurde Feuer gelegt.

Die empörten Jugendlichen, im Volksmund als „Generation Z“ bekannt, stürmten Nairobis Straßen bereits am vergangenen Donnerstag aus Protest gegen den neuen Haushaltsentwurf, der Gegenstände des täglichen Bedarfs besteuert. Kenias Regierung kämpft mit einer ausufernden Schuldenlast von mittlerweile 80 Milliarden US-Dollar. Höhere Steuern sollen das Haushaltsdefizit senken. Im ursprünglichen Haushaltsentwurf ging es unter anderem um eine 16-prozentige Mehrwertsteuer auf Brot und eine neue Steuer auf Autobesitz. Die meisten dieser Maßnahmen wurden inzwischen zurückgenommen und in zweiter Lesung stimmten die Abgeordneten am Dienstag mehrheitlich für die weitere Behandlung des Gesetzes.

Aber der Protest geht inzwischen weit über Steuerpolitik hinaus. „Wir sterben lieber aufrecht, als auf Knien zu leben“, rief ein militanter Jugendlicher bei einer Rede in Meru. Mit der Parole „Occupy Parliament“ wurde schließlich dazu aufgerufen, das Parlamentsgebäude zu besetzen. Die Regierung hatte die Protestbewegung anfangs als Luxusphänomen zu diskreditieren versucht: Jugendliche würden sich per Uber zu Demonstrationen fahren lassen und mit teuren I-Phones mobilisieren. Aber nun bereiten die unerwartet heftigen Proteste der Regierung unerwartete Kopfschmerzen.

Die Inspiration für die größten Jugendproteste in Kenias Geschichte ist der Tod eines Geschäftsmannes. Jacob Juma, ein Unternehmner, wurde am 16. Mai 2016 in der Hauptstadt Nairobi erschossen, nachdem er Regierungskorruption kritisiert hatte. Seine Ermordung hinderte ihn daran, entsprechende Klagen weiterzuverfolgen. Kenias Staatssicherheit wurde damit in Verbindung gebracht. Juma hatte ein Staatsunternehmen auf 5 Millionen US-Dollar Entschädigung verklagt wegen Vertragsbruchs im Zusammenhang mit einer Lieferung von 40.000 Tonnen Mais im Jahr 2004. Er hatte außerdem 2015 die Regierung verklagt, die seiner Firma die Bergbaulizenz entzogen hatte, nach seinen Angaben wegen seiner Weigerung, 800.000 US-Dollar Schmiergeld zu zahlen.

Juma galt als Unterstützer des ewigen Oppositionsführers Raila Odinga gegen die damals regierende „Jubilee-Koalition“ von Präsident Uhuru Kenyatta und äußerte sich öffentlich über das Verschwinden von Geldern aus staatlichen Kreditaufnahmen.

Acht Jahre später steht der Name Juma für die Massenproteste gegen die Regierung von Kenyattas einstigem Vizepräsidenten und Nachfolger als Staatschef, William Ruto, der 2022 zum Präsidenten gewählt wurde. Die Kenya Youths Union, die hinter der Protestbewegung steht, hat den ermordeten Juma zu ihrem Anführer erklärt. „Er ist unser Sponsor und unserer Mentor in dieser Revolution“, erklärte die Gruppe. „Wenn ihr jemanden entführen wollt, denkt an unseren Führer Jacob Juma.“

Damit wollte die Jugendgruppe einerseits von den lebenden Führern der Protestbewegung ablenken, um diese aus der Schusslinie zu bringen – aber eben auch klarmachen, wofür sie steht. „Sie haben ihn körperlich getötet, aber geistig lebt er weiter“, sagt Demonstrant Vitalis Msafi in Nairobi. „Jacob Jumas Geist ist der wichtigste Mobilisierer von Generation Z.“

Die Regierung hat einigen Forderungen der Protestierenden nachgegeben und der „Generation Z“ Gespräche angeboten. Das ist allerdings in Ermangelung sichtbarer Protestführer schwierig. „Ruto will Dialog mit Generation Z, aber Generation Z hat keinen Führer“, sagt ein Regierungsanhänger.

Berichten zufolge sind Entertainer Eddie Butita und Politikberater Dennis Itumbi, der einst Ruto im Wahlkampf half und jetzt mit ihm gebrochen hat, die führenden Figuren hinter Generation Z. Sie selbst äußern sich zu den Protesten allerdings nicht.

Diese neue Generation stellt gemeinsame Ziele und Werte über enge und spalterische Identitäten

Anthony Kimani, Parlamentsabgeordneter

Während die Polizei auf der Straße hart gegen Protestierende vorgeht, bemüht sich die Regierung, die Protestbewegung zu loben. „Was Generation Z vorbringt, ist bedenkenswert“, sagt John Tanui, Staatsminister im Ministerium für Kommunikation digitale Ökonomie. „Wir hören ihnen zu, um damit das Handeln der Regierung zu bereichern. Dies ist die talentierteste und tech-affinste demographische Gruppe im Land mit großem Potential.“ Anders als in anderen afrikanischen Ländern hat die Regierung keine Internetsperrungen vollzogen, um die Proteste zu knebeln. „Um alle Zweifel auszuräumen: Die Behörde hat keinerlei Intention, das Internet dichtzumachen oder die Übertragungsqualität zu stören“, erklärte David Mugonyi, Leiter der kenianischen Kommunikationsbehörde. Solche Aktionen wären nicht nur verfassungswidrig, sondern würden „unsere schnellwachsende digitale Ökonomie sabotieren“.

Präsident Ruto sagte: „Der Mut und die Geschlossenheit unserer Jugend ist ermutigend. Wir werden mit ihr sprechen, um ihre Sorgen zu diskutieren und ein besseres Kenia für alle aufzubauen.“ Aber manche Protestierenden sind davon wenig beeindruckt und rufen zum Rücktritt Rutos auf.

Die Bewegung sorgt international für Aufmerksamkeit. Bobi Wine, Oppositionsführer im Nachbarland Uganda, lobte: „Ihr erhebt eure Stimme und die wird weit über Kenias Grenzen hinaus gehört.“ Auch Südafrikas linke Oppositionspartei EFF (Economic Freedom Fighters) erklärte sich solidarisch.

Anthony Kimani, Abgeordneter der zu Kenias Regierungskoalition gehörenden „United Democratic Alliance“, begrüßt das Aufkommen von Generation Z als bemekernswerte Überwindung der ethnischen Grenzen, die Kenianer lange Zeit auseinanderdividiert haben. „Diese neue Generation steht für zukunftsgerichtetes Denken, die gemeinsame Ziele und Werte über enge und spalterische Identitäten stellt. Unsere Generation Z demonstriert ganz klar eine progressive Vision für unsere Nation und setzt ein Beispiel, dem alle Führer folgen sollten.“

Mitarbeit: Dominic Johnson