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Studie zu ZertifikatenHandeln statt Schachern

Deutschland und Italien sind Schlusslichter bei ihren Klimaschutzmaßnahmen. Sich mit CO2-Zertifikaten freizukaufen, ist kein Ausweg.

Deutschland, Land der Au­to­fah­re­r:in­nen und des LKW-Verkehrs Foto: Joeran Steinsiek/imago

Berlin taz | 12 EU-Mitgliedsstaaten werden ihre nationalen Klimaziele verfehlen. Das bestätigt eine aktuelle Studie der NGO Transport & Environment. Sie analysierte die Entwürfe für nationale Klimapläne der EU-Mitgliedsstaaten.

Das Instrument der nationalen Energie und Klimapläne (NCEP) hat die EU eingeführt, um die gesamteuropäische Koordination zu erleichtern und Strategien und Maßnahmen zu definieren. Deutschland und Italien schneiden in den Berechnungen der Studie am schlechtesten ab. Das Problem: Statt Sofortmaßnahmen zur Reduzierung von Treibhausgasen einzuführen, kaufen die Länder Emissionszertifikate.

Das führt laut der Studie allerdings dazu, dass es zu wenig Angebot gibt und der Bedarf nach ihnen steigt. Bereits Deutschland und Italien würden gemeinsam den Zertifikatmarkt aufgrund ihres hohen Treibhausgasausstoßes räumen.

Fraglich sei auch, ob sich Deutschland den Handel leisten könne: Der Zertifikatspreis, der zwischen den Staaten verhandelt wird, liegt laut Bloomberg aktuell bei 129 Euro. Deutschland würde durch den Kauf Kosten in Höhe von 16,2 Milliarden Euro erwarten, das Haushaltsdefizit würde damit auf gut 56 Milliarden ansteigen.

Verkehrsministerium stellt sich quer

Grund für die Verfehlungen hierzulande ist vor allem der Verkehrssektor: Verkehrsminister Volker Wissing hatte zuletzt mit Fahrverboten gedroht, um Druck auf die Koalitionspartner auszuüben. Infolgedessen wurde das Klimaschutzgesetz angepasst und die Sektorbegrenzung aufgehoben. Verfehlte Klimaziele im Bereich Verkehr dürfen nun mit den Bilanzen anderer Bereiche verrechnet werden.

Anders sieht es auf EU-Ebene aus. Dort müssen Klimaziele in fünf Schlüsselsektoren erfüllt werden, unter anderem im Straßenverkehr. So planen sie, die Emissionen bis 2030 um 40 Prozent gegenüber dem Stand von 2005 zu senken. An diesbezüglichen Strategien mangele es nicht, aber an deren politischer Umsetzung.

Laut Sebastian Bock von Transport & Environment steht Wissing „vor einer klaren Wahl: Entweder er zahlt für den verschleppten Klimaschutz Milliarden an unsere Europäischen Nachbarländer oder er fängt endlich an, beim Klimaschutz im Verkehr ernst zu machen.“

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5 Kommentare

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  • "Wenn das Geld im Kasten klingt,



    die Seele in den Himmel springt".



    Johann Tetzel

  • Deutschland hat seit der UN Klimakonferenz von Paris sein CO2 Ausstoss vertragsgemäss um 46 % gesenkt. China in der gleichen Zeit um 20 % gesteigert. Und China erzeugt pro Kopf etwas mehr CO2 als Deutschland. Das bei 1,4 Miliarden Einwohnern

  • Ernsthaft.? D-Land kauft sich mit Klimazertifikaten frei.? Wo es doch ein offenes Geheimnis, dass dahinter so gut wie keine wirkliche Effizienz in Sachen Klimaschutz steckt.?

    www.arte.tv/de/vid...0-A/die-co2-luege/

    Unglaublich wie sich dieses Land als Vorreiter in Sachen Klimaschutz darstellt..und wenn man mal genauer hinschaut, feststellen muss daß sogar die Bundesregierung auf die heiße Luft von Zertifikaten herein fällt..

    ..aber klar..erst kommt die Autoindustrie..dann die Vernunft und der Anstand.

    ..wie tief sind wir eigentlich gesunken.?

    ??

    • @Wunderwelt:

      Obacht! Bei der (sehenswerten) Dokumentation geht es um andere Zertifikate über die sich Firmen greenwashen (freiwillige Kompensationszertifikate)



      Staaten wie Deutschland handeln im EU-Emmisionshandel (EU-ETS) welches den CO2 Ausstoß deckeln soll und stetig kleiner wird bis er Netto-Null sein soll

      • @EddyBot:

        Sie haben recht. Irren ist (an dieser Stelle) menschlich. Wobei es auch Beispiele gibt, bei denen zumindest Länderregierungen, tatsächlich auf die in der arte-Doku behandelten (Schwindel-) Zertifiakte zurück greifen:

        taz.de/Klimaschutz...kat-Kauf/!5899289/

        Dennoch bleibt auch der Handel mit CO2 Emissionsrechten eine fragwürdige Angelegenheit. Zumindest dann, wenn damit Nichts-Tun gerechtfertigt wird..und man das Problem lieber anderen EU-Ländern überlässt.

        Das ist nämlich nicht nur teuer, es stellt auch eine Form von Egoismus dar, wenn man die begrenzten Möglichkeiten des Emissionshandels an Stellen einsetzt die nicht dafür gedacht sind. Damit würgt man die, im Prinzip gute Idee ab und vereitelt Klimaschutz an anderer Stelle.