Piefke-Kopie bei EM: Imitate aus Österreich

Vorgeblich hassen die Ösis abgrundtief alles, was vom Piefke kommt. Zu dieser EM aber imitieren sie fleißig Deutschland.

Ralf Rangnick jubelt an der Seitenlinie, umringt von seinen Spielern

Der Piefke ist der Größte: Alaba und Österreichs Bank feiern Rangnick Foto: Fabian Bimmer/Reuters

In ihrer EM-Kampagne erweisen sich die Österreicher als Plagiateure. Sie kopieren recht auffällig die Deutschen. Das Klauen und Eingemeinden hat in dem Land, das mit der Heiratspolitik der Habsburger die letzte wirklich kluge Idee produziert hat, eine gewisse Tradition. Die Mehlspeisen kommen aus Böhmen, das Saftgulasch aus Ungarn, die gute Musik aus dem Rheinland – und die taktischen Ideen aus Baden-Württemberg. Die Österreicher klammern sich an das Jahr 2006, als die „verfeundeten Nachbarn“, die Deutschen also, im Berliner Schlosshotel Grunewald abstiegen und bis ins WM-Halbfinale vorstießen. Dort wohnen jetzt die Österreicher.

Das Schlosshotel im feinen Berliner Ghetto ist eine kommode Herberge, wie die taz seinerzeit testete, eine Villa, in der greise Filmdiven wunderbar auf ihre alten Tage wohnen, mitunter auch Stollenträger. Die Pressekonferenzen der Ösis, die vorgeblich alles abgrundtief hassen, was vom Piefke kommt, halten sie wie einst Klinsi und Co auf dem Gelände der Berliner Messe ab, mit dem kleinen Unterschied, dass die Verlautbarungen nicht im großen Messe-Trumm stattfinden, sondern im Marshall-Haus. In selbigem war nun am Samstag zu erfahren, dass 92 Prozent der Ösis einen Sieg im Achtelfinale gegen die Türken erwarten. Sie glauben wahrscheinlich, auf einer geschichtlichen Traditionslinie zu wandeln, nur dass Johann III. Sobieski heute Ralf Rangnick I. heißt.

Ein Journalist des Wiener Standard sprach von einer „riesigen Euphorie“ zwischen Mürzzuschlag und Dornbirn. Da denkt man unweigerlich an das Buch von Christoph Stermann „6 Österreicher unter den ersten 5. Roman einer EntPIEFKEnisierung“. Der Autor, der einst aus dem Ruhrgebiet nach Wien überwechselte, bekennt darin, dass er anfangs keine Meinung zu den Ösis hatte, aber jeder Ösi eine zu den Deutschen. Wer dort mal länger gewohnt hat, kennt das. Es gilt als ausgemachte Sache, dass die Deutschen nicht nur klugscheißerisch und steif sind, sondern blöderweise auch besser Fußball spielen können. Jahrzehntelang fühlten sich die Kicker von Sturm, Rapid oder der Austria unterlegen, dieses Gefühl wurde nur unterbrochen durch den 100. Aufguss des Cordoba-Mythos.

Zwischen Anspruch und Wirklichkeit

Aber jetzt: Scheint sich doch etwas getan zu haben, wie auch der „Non playing Captain“ der Österreicher, David Alaba, bekannte. Der Defensive ist noch rekonvaleszent, aber in Berlin am Start. Er sprach von einem achtjährigen Prozess, der alles verändert habe. Die Qualität der Mannschaft sei nun eine andere, sagte er. „Die Erwartungshaltung ist hoch, das wissen wir schon.“

Aber man lasse sich nicht verrückt machen. Man mag ihm Glauben schenken, aber noch jedes Mal in der jüngeren Vergangenheit scheiterte das Team an der Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Alaba selbst fußballerte als omnipräsenter Wunderwuzzi dagegen an, allein, es half nicht. Vielleicht klappt es jetzt mit der Piefkenisierung der Ösis. Auf dass der Geist von Grunewald in den Kopisten des ÖFB wiederaufleben möge!

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Seit 1998 mehr oder weniger fest bei der taz. Schreibt über alle Sportarten. Und auch über anderes.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.

Ihren Kommentar hier eingeben