Debatte über Geld für die Bahn: Teures Ticket oder Straßen sparen
Woher soll Geld für die Schiene kommen? Aus einem verteuerten Deutschlandticket, meint Finanzminister Lindner. Umweltverbände haben eine andere Idee.
BERLIN taz/dpa | Wie lange können die Menschen in Deutschland noch für 49 Euro im Monat durchs Land fahren? Die Frage steht schon seit einiger Zeit im Raum: Dass das sogenannte Deutschlandticket im kommenden Jahr teurer wird, gilt als wahrscheinlich. Jetzt hat Finanzminister Christian Lindner (FDP) die Debatte angesichts dringender Bahn-Investitionen neu angefacht. Umweltverbände machen währenddessen einen eigenen Vorschlag dafür, wie sich die Finanzprobleme im Verkehrssektor lösen ließen.
„Irgendwann muss die Politik entscheiden, ob wir eher in die Schiene investieren wollen oder ob der Preis von 49 Euro bleiben soll“, sagte Lindner der Welt am Sonntag. Der Bund ringt aktuell um den Haushalt für 2025. Mehrmals schlug der Finanzminister vor, Sozialausgaben einzusparen – auch das 49-Euro-Ticket wird aus dem Sozialetat finanziert.
„Die Politik darf bei der Preissteigerung nicht übertreiben“, warnte der Vorsitzende des Fahrgastverbands Pro Bahn, Detlef Neuß im WDR. „Das Ticket darf im kommenden Jahr nicht teurer werden als 59 Euro.“ Auch die SPD konterte Lindners Vorstoß: Das Deutschlandticket sei ein „absolutes Erfolgsprojekt“, sagte Fraktionsvize Detlef Müller. „Ein wichtiger Faktor für diesen Erfolg ist Planbarkeit und Preisstabilität des Angebotes.“
Bei der Bahn steht die Generalsanierung hoch belasteter Strecken an – das kostet den Bund Milliarden. Ein Abbau der Förderung für das Deutschlandticket könnte nur einen winzigen Bruchteil dessen decken.
20 Milliarden Euro liegen auf der Straße
Rund 20 Milliarden Euro könnte das Bundesverkehrsministerium hingegen sparen, wenn es Straßenneubauprojekte auf Eis legen würde. Das ist das Ergebnis einer neuen Studie des Forums Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS), die der BUND, die Gewerkschaft Verdi, die Klima-Allianz Deutschland und der ACE Auto Club Europa in Auftrag gegeben haben.
Der Bundesverkehrswegeplan 2030 sehe 850 Kilometer neue Autobahnen vor und rechne dafür mit Kosten, die nicht mehr aktuell seien – die Projekte kosteten über 40 Prozent mehr als das, was bisher für sie veranschlagt wurde.
„Die Bundesregierung muss endlich den Fokus weg von klimaschädlichen und teuren Autobahnneubauprojekten legen“, sagte die stellvertretende Verdi-Vorsitzende Christine Behle, „hin zum notwendigen, naturverträglichen Ausbau der Schiene“.
Leser*innenkommentare
Fritz Lang
Das ist das Ergebnis von 30 Jahren Autolobby- statt Verkehrsminister, und kein Ende in Sicht!
Das BMDV gehört kernsaniert sonst wird das nichts mit der Verkehrswende.
Garum
Das Problem ist das das Ticket nicht zu Ende gedacht ist. Schon mit der Bezahlung werden einige 100000 davon ausgeschlossen. Man hat es wohl extra so kompliziert gemacht. Es gibt da noch das ein oder andere was man verbessern könnte wen man wollte. Aber die FDP stellt lieber das Auto in den Vordergrund..
Tom Lehner
Mittlerweile habe ich es vergessen wann ich das erste Mal von einem Ausbau des Schienennetzes hörte. Hörte wie die Politik die Fracht auf die Schiene bringen wollte. Die Netze eine Elektrifizierung erfahren sollte. Auch über die Ankoppelung an europäische Großprojekte wie den Brenner Basistunnel wurde gefaselt.
Aber wir bekommen noch nicht mal die Nahverkehrs - Anbindung des Umlands an größere Städte geregelt.
Dafür können wir uns rühmen kein Tempolimit zu haben. Ein Tempolimit das durch die erfolgreiche Arbeit von Lobbyisten durch die Politik verteidigt wird. Die Menschen wollen es nicht und brauchen es nicht mehr. In den Köpfen der Gesellschaft ist dies längst angekommen.
Nicht umsonst haben unsere "Innovativen" Autokonzerne die Entwicklung verschlafen. Auf die Regierung ist Verlaß und so ein vier Liter Diesel Motor als "Hybrid" in einem 2,5to schweren SUV, vom Staat "Gefördert" ist ein riesen Schritt in Sachen Klimaneutralität.
Es ist schon fast fahrlässig wie sich die deutsche Politik verweigert und keinen Mut hat die Stellschrauben zu nutzen.
Garak
Für mich als Pendler in Stuttgart rechnet sich das Deutschlandticket sogar bis 159€ im Monat - das zeigt aber eher die absurde Preispolitik des VVS, schon allein daß die Tabellen jenseits der 49€ noch existieren...immerhin darf ich mich nicht beschweren, mein Ticket wurde (auch schon bei der 9€ Phase) automatisch umgestellt, Hier gab es also keinen Nepp mit Altkunden gegen Neukunden, offensichtlich kein Handyvertrag...
Prinzipiell könnte ich mir eine Soziale Staffelung des Preises vorstellen, auch wenn das mal wieder Bürokratiemonster schreit. Aber halt ich bin ja Besserverdiener, mich mehr belasten das wird nix mit ner gelben Regierung.
Wäre nebenbei schön wenn so ne Nebenmessage des Artikels bei Herrn Lindner ankäme: Auf Anschlag gefahrene Infrastruktur ist extra teuer bei der Wiederherstellung. Schulden auf dem Konto vs. Kosten von Infrastrukturschäden (Einmalige bei Sanierung plus laufende Kosten durch z.B. Stauzeiten)? Eigentlich einleuchtend. Bilanzgrenzen ziehen ist aber leider was für Ingenieure, Finanzpolitiker verstehen so was selten...
Chris Ehl
Wie einfach es doch ist Milliarden für Rüstung, Pharma, Banken etc. zu ermöglichen, natürlich als "Sondervermögen"...bei Sozialausgaben, bei Projekten wie dem Bahnticket, trifft dies auf die Allgemeinheit positiv zu (und nicht nur ein paar windigen Großkonzernen) und schwupps ist die freie Reise für Lindner nur ganz ganz schwer akzeptabel. FDP die Liberalen...also nur für jene die schon genug Geld haben und dieses frei anlegen und vermehren wollen auf dem Rücken anderer...