Ungarns EU-Ratspräsidentschaft: Eine irre Personalie

Orbàn betreibt nicht nur zerstörerische Außenpolitik, er lässt sie sich auch noch von der EU bezahlen. Ein Bild in seinem Arbeitszimmer alarmiert.

Victor Orbàn neben Giorgia Meloni zwischen zwei EU-Fahnen

Die Auswahl seiner Freunde lässt nicht unbedingt Vertrauen in Victor Orbàn wachsen Foto: REUTERS/Johanna Geron

Viktor Orbán hat schon einiges erreicht auf seinem neoliberal-nationalistischen Weg, das liberale Europa zu zerstören. Es ist also einfach irre, dass einer, dem es gelang, die Pressefreiheit zu beschneiden und unliebsame prodemokratische Organisa­tio­nen in Ungarn zu zerstören, und der sich von vornherein auf die Seite Putins gestellt hat, jetzt sogar den Vorsitz in der EU übernehmen darf. Und irre ist es auch, dass seine zerstörerische Außenpolitik von der EU finanziert wird.

Ohne die Gelder und Subventionen der EU hätte er niemals den Einfluss gehabt, die Hälfte des Balkans um sich zu scharen und die EU für seine Interessen zu instrumentalisieren. Ihm gelang es, wichtige Positionen der EU -Balkanpolitik zu besetzen: So ist der seit 2019 amtierende EU-­Erweiterungskommissar ein Ungar, ungarische Offiziere befehligen die Eufor-Truppen in Bosnien und Herzegowina, die bei Konflikten dort eingesetzt werden sollen. Er unterstützt die aggressiven Nationalisten in der Region, vor allem aber in Serbien, und finanziert sogar Milorad Dodik, der einen Teil Bosniens abspalten will.

Bei näherer Betrachtung ist die Veränderung von Grenzen, wie sie Putin in der Ukraine anstrebt, durchaus im Interesse Orbáns. Die ungarischen Nationalisten leiden heute nicht nur hinter verschlossenen Türen, sondern jetzt sogar öffentlich darunter, dass Ungarn nach dem Ersten Weltkrieg 1918 zwei Drittel seines Landes verloren hat, etwa ­Transsylvanien im heutigen Rumänien, Teile Serbiens, der Ukraine und Kroatiens.

Europa völlig herausfordern wird Orbán nicht

Der Präsident Ungarns hat in seinem Arbeitszimmer die Karte Groß­ungarns hängen, mit den Grenzen der ­Habsburgerzeit. Putins Traum, das zaristische Russland wiederherzustellen, könnte als Anregung auch für Orbán und seine Partei dienen. Die Weichen für eine Politikwende mit nationalistischen Vorzeichen innerhalb der EU werden schon gestellt – seine Reden zu Transsylvanien müssten nicht nur die Rumänen alarmieren.

Er wird Europa klugerweise jetzt nicht völlig herausfordern. Doch Schritt für Schritt wird er versuchen, seine national fokussierte Sichtweise durchzusetzen.

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Erich Rathfelder ist taz-Korrespondent in Südosteuropa, wohnt in Sarajevo und in Split. Nach dem Studium der Geschichte und Politik in München und Berlin und Forschungaufenthalten in Lateinamerika kam er 1983 als West- und Osteuroparedakteur zur taz. Ab 1991 als Kriegsreporter im ehemaligen Jugoslawien tätig, versucht er heute als Korrespondent, Publizist und Filmemacher zur Verständigung der Menschen in diesem Raum beizutragen. Letzte Bücher: Kosovo- die Geschichte eines Konflikts, Suhrkamp 2010, Bosnien im Fokus, Berlin 2010, 2014 Doku Film über die Überlebenden der KZs in Prijedor 1992.

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