Doris AkrapGeraschel
: Über Stimmung oder döpdödödödöp, döpdödödödöp!

Foto: privat

Stimmung kommt von Stimme. Versagt Letztere, geht Erstere in den Keller. Einmal dort unten, kriegt sie so leicht niemand mehr hoch. Weil die Stimmung das aber schon kennt, ist sie gut vorbereitet. Tage-, wochen-, jahrelang kann sie sich da unten aufhalten, hat Hafermilchvorräte, Glasfaserkabel und die Handynummer vom besten Psychologen der Stadt, um ihre Work-Life-­Balance checken lassen zu können.

Von Hause aus ist die Stimmung eigentlich ein heiteres Gemüt. Gleichzeitig hat sie akute Persönlichkeitsstörungen, schwankt, kippt und leidet unter ständiger Umschwungsdrohung.

Derzeit steht sie mal wieder stark unter Druck. Sie hat alle Hände voll zu tun, weiß aber vor lauter Anfragen nicht, wo sie anfangen soll – jeder will was von ihr, jeder zuppelt an ihr rum, hat was an ihr auszusetzen, macht sie verantwortlich. Von links bis rechts ist man sich zurzeit einig darin, dass die Stimmung besser im Keller als in der Bude aufgehoben ist.

Während den einen die deutsche EM-Mannschaft zu undeutsch ist, ist den anderen die EM zu deutsch. Die Bahn, die Ampel, die AfD-Wähler, die Geflüchteten, die Staatsräson, der Bürger Olaf – die einen sorgen dafür, dass die Stimmung im Keller bleibt, die anderen haben Angst davor, dass die Stimmung sich in Deutschlandfahnen hüllt, wenn sie steigt.

Die Stimmung ist alles andere als ein zuverlässiger Geschäftspartner. Sie lässt sich von ­allen Seiten hin und her schubsen und auf die Couch legen, um sich messen zu lassen. Früher wurde Führungskräften geraten, einmal im Jahr einen Betriebsausflug zu machen, um die Stimmung im Laden am Laufen zu halten.

Heute sollen Mitarbeitende einem täglichen Stimmungstest unterzogen werden, damit die Führungskräfte die pain points herausarbeiten können. Ziel: Schafft man es, die Schmerzpunkte zu umgehen, steigert man die Stimmung und damit das Bruttosozialprodukt.

Aber die Stimmung wäre nicht die Stimmung, wenn man sie so billig austricksen könnte. Sie ist halt schon auch Extremistin und entweder euphorisch, aufgeheizt oder am Nullpunkt.

Hier erscheinen zwei Kolumnen im Wechsel. Nächste Woche: „Grauzone“ von Erica Zingher

So wie den meisten tut auch der Stimmung allzu viel Aufmerksamkeit nicht gut. Sie nimmt sich selbst wichtig und anderen übel. Kaum lässt man sie mal eine Weile unbeaufsichtigt, wird sie bockig und geht wieder in Schwarz. Man redet dann von ihr als gedrückt.

Unklar bleibt, warum ausgerechnet Bomben und Kanonen mit ihren Fähigkeiten, andere anzustecken, mit guter Stimmung assoziiert werden. Sicher, sie vermag genauso mitreißend zu sein im positiven Sinne, wie sie alle Umstehenden mit in den Abgrund reißen kann.

Wenn die Stimmung aber mal in der Bude ist, liegen sich die Menschen aber doch meistens mehr in den Armen, als dass sie sich gegenseitig in die Luft sprengten. Doch wie gesagt, selbst wenn die Stimmung bester Laune ist, ist sie mit Vorsicht zu genießen.

Die Stimmung ist Extremistin und mit Vorsicht zu genießen

Nun haben wegen des anhaltenden ­Schlechtwetters unter deutschen Fußballfans einige von ihnen die AG Stimmung gegründet. Mit bunten Kostümen, lustigen Pfeifen und Geräuschen wollen sie für mehr Aus­gelassenheit sorgen. Das ist sehr gut gemeint, aber meilenweit von den holländischen Fans entfernt, die mit ihrer hüpfenden Choreografie zu dem Partykracher „Links Rechts“ aufs Sympathischste für die allerbeste Stimmung dieses Sommers sorgen. Wäre ich die AG Stimmung in der Ampelregierung, würde ich alles drangeben und diese Idee ­appropriieren, klauen, verwandeln. Der Stimmung in diesem Land wäre es ganz sicher dienlich, wenn der Christian, der Olaf und der Robert sich unter die Arme griffen, zur einen und zur anderen Seite hüpften und dabei ganz laut sängen: „Nach links!!!!!! Nach rechts!!!!!! Döpdödödödödöp! Döpdödödödöp! Döpdödödödödödödödödödödödöp!“