Giftige Algen in Grenzfluss: Wieder tote Fische in der Oder

Im deutsch-polnischen Grenzfluss vermehrt sich die giftige Goldalge rasant, wieder sterben Fische. Naturschützer sind alarmiert und erinnern an die Katastrophe von 2022.

Zwei tote Fische treiben auf Wasser

Droht wieder ein massenhaftes Fischsterben? Am Montag im Winterhafen von Frankfurt/Oder Foto: dpa

FRANKFURT/ODER dpa/bb | Rund zwei Jahre nach der Umweltkatastrophe in der Oder lösen tote Fische und eine massenhafte Vermehrung der giftigen Goldalge große Sorgen um den deutsch-polnischen Grenzfluss aus. Es könne keine Entwarnung gegeben werden, teilte das Umweltministerium in Potsdam am Mittwochabend nach Beratungen mit dem Landesumweltamt mit.

Die seit Tagen sehr hohe Algenkonzentration weckt Erinnerungen an das massenhafte Fischsterben im Sommer 2022, das vor allem durch das Gift dieser Goldalge ausgelöst wurde. Wissenschaftler und Umweltschützer sind beunruhigt über den Zustand der Oder. Vor allem die Organisationen Greenpeace und WWF kritisierten zu hohe Salzeinleitungen durch die Bergbauindustrie.

Das Umweltministerium teilte mit, trotz einer leichten Stabilisierung im Vergleich zum vergangenen Wochenende blieben die Messwerte zur elektrischen Leitfähigkeit und der Chlorophyllgehalt im Gewässer sehr hoch. Die Werte sind Indikatoren etwa für Salzgehalt und Algenbelastung. Am vergangenen Wochenende waren laut Behörde auch die Giftwerte im Fluss in Frankfurt (Oder) sehr hoch. Am Winterhafen in Frankfurt (Oder) waren etwa am Dienstag dutzende tote Fische zu sehen.

„Die ausgegebene Gefährdungsstufe 3 bleibt bestehen“, teilte das Umweltressort mit. Bei dieser höchsten Stufe im Warnsystem zur Oder, das nach der Umweltkatastrophe 2022 eingeführt wurde, werde von einer Algenblüte durch Prymnesium parvum ausgegangen.

Das Alarm- und Meldesystem funktioniert besser

Die aktuelle Wettersituation habe sich durch hohe Abflusswerte in der Oder bisher begünstigend ausgewirkt, sodass die Auswirkungen bislang nicht mit denen im Jahr 2022 vergleichbar seien, so das Ministerium. Hoher Salzgehalt, Niedrigwasser, hohe Temperaturen und das Gift der Goldalge hatten aus Expertensicht im Sommer 2022 das massenhafte Fischsterben in der Oder ausgelöst.

Das Landesumweltamt berät nun über weitere Maßnahmen der Wassersteuerung und informiert unter anderem auch Landkreise und das Bundesumweltministerium über die Entwicklungen, wie es hieß. Das Alarm- und Meldesystem sei nach der Umweltkatastrophe 2022 mit der polnischen Seite optimiert worden. Der Datenaustausch habe sich vor allem unter der neuen polnischen Regierung deutlich verbessert, so das Umweltministerium.

Der Fischökologe Christian Wolter vom Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) zeigte sich besorgt. Er sei beunruhigt wegen der Ausbreitung der Goldalgen (Prymnesium parvum). „Aber es ist schwierig zu sagen, wie sich das entwickelt“, meinte Wolter. Es müsse analysiert werden, warum sich die Alge anders als im vergangenen Jahr nun stärker ausbreite. Das werde den Forschern neue Erkenntnisse bringen. Die Wissenschaftler des IGB forschen zum Zustand der Oder und der Alge. Dem Fischökologen Wolter zufolge sind tote Fische bislang in Nebengewässern der Oder entdeckt worden, nicht im Hauptstrom.

Im vergangenen Jahr hieß es bereits, die Gefahr einer erneuten Umweltkatastrophe an der Oder sei nicht gebannt. Umweltschützer dringen auf einen besseren Schutz des deutsch-polnischen Grenzflusses. Nach Schätzungen des IGB waren im Sommer 2022 bis zu 1.000 Tonnen Fisch im Gewässer verendet.

Greenpeace fordert Stopp der Salzeinleitungen

Greenpeace hält die Einleitung salziger Abwässer aus polnischen Bergwerken für die Ursache und warf der Regierung seit dem Fischsterben 2022 Untätigkeit vor. Die Umweltorganisation kritisierte am Mittwoch: „Die Folgen sind eindeutig und messbar – der Gehalt von Salz und Chlorophyll in der Oder ist in den vergangenen Wochen und Monaten stetig gestiegen.“

Nur durch einen Stopp der Salzeinleitungen und eine entsprechende Überwachung durch polnische Behörden lasse sich verhindern, dass es zu weiteren ökologischen Katastrophen im polnisch-deutschen Fluss komme, sagte der Umwelttoxikologe von Greenpeace, Julios Kontchou. Auch in einem Bericht der Europäischen Kommission zur Oder-Katastrophe von 2022 heißt es, dass der hohe Salzgehalt der Oder „wahrscheinlich zumindest teilweise auf Einleitungen stark salzhaltiger Industrieabwässer, z. B. aus Bergbautätigkeiten, zurückzuführen war“.

Die Naturschutzorganisation WWF fordert, den sowohl von Deutschland also auch Polen betriebenen Ausbau des Flusses zu stoppen. „Der Ausbau der Oder würde zerstören, wofür der Fluss berühmt ist, nämlich seine naturnahen Auen im verzweigten Unterlauf des Flusses“, schreibt der WWF. „Der Ausbau würde auch Deutschlands einzigen Auen-Nationalpark gefährden, den Nationalpark Unteres Odertal. Auf einer Strecke von rund 500 Kilometern fließt die Oder noch frei und ungestaut bis zu ihrer Mündung in die Ostsee. Schon das macht die Oder besonders“, heißt es in einer Mitteilung.

Auch in Polen hatte das Umweltministerium vor Kurzem mitgeteilt, dass die Zahl der Goldalgen zugenommen habe und die Behörden die Situation laufend überwachten. In dem von der Oder abzweigenden Gleiwitzer Kanal habe sich dagegen ein deutlicher Rückgang der Algen gezeigt. Polnische Behörden wollen unter anderem den Wasserdurchfluss erhöhen, um eine Ausbreitung der Alge zu erschweren, wie es im Mai hieß.

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