Die Wahrheit: Hier urlauben Sie gesund

Traum oder Wirklichkeit? Eine Stippvisite in Impflingen in der Pfalz katapultiert einen auf bizarre Weise zurück in die Pandemie. Film ab …

Die bange Naherholung der Corona-Zeit ist passé, die Menschen lassen sich längst wieder sorgenfrei am Goldstrand die Wampe runzlig brennen. Ich war allerdings nie ein Early Adopter, im Gegenteil: Auf dem Weg von der Linken zur AfD bin ich gerade mal bis zur SPD gekommen. Und als Late Adopter stand für mich fest: Urlaub erst mal nur im Inland.

Aber wohin? Selbst bizarre Naturschönheiten wie die Sächsische Schweiz oder die Tropical Islands sind mittlerweile überlaufen. Im Internet fand ich dann doch was: die 1.000-Seelen-Gemeinde Impflingen bei Landau in der Pfalz – perfekt für einen traumhaften Kurztrip. Die Impflinge haben ein Paradies für Infektionspessimisten geschaffen, ein Freilichtmuseum für Corona-Nostalgiker. Ich vermute, Trotz hat auch eine Rolle gespielt. Wer lässt sich seinen Namen schon gerne von Verschwörungsspinnern wegnehmen.

Schon am Ortseingang merke ich, dass Schutzmaßnahmen wirklich ernst genommen werden. Hier machen immer noch lustlose 16-Jährige gröbstmöglich einen Corona-Test, jedes kleine Husten wird argwöhnisch beäugt und Smudo kommt einmal im Jahr höchstpersönlich vorbei, um die Luca-App aller Einwohner persönlich zu updaten.

Es herrscht 100 Prozent Impfquote, wie ich in der zur Kaffeerösterei umgebauten ehemaligen Bergmannskneipe Zur Alten Bion-Zeche erfahre. Sogar gegen Gelbfieber wird geimpft. „Kommt mit dem Klimawandel eh bald“, flüstert mir der Barista im Mindestabstand lautstark ins Ohr. Selbst bei Hepatitis wird bis K durchgeimpft, sicher ist sicher.

Visite im Impfstüberl

Am zweiten Tag besuche ich das Impfstüberl. Hier kann man sich mit täglich frisch angerührten Impfstoffen nach Herzenslust boostern lassen. Für trendbewusste Besucher bietet das Lokal ein mit Pfälzer Landwein versetztes Serum an, das von örtlichen Winzern direkt aus dem Steilhang in die Blutbahn injiziert wird. Der Wandel des Örtchens geht so weit, dass das Gerätehaus der Freiwilligen Feuerwehr in Spritzenhaus umbenannt worden ist. Das Gemeindewappen ziert neuerdings eine kreuzförmige Einstichstelle.

Doch mittlerweile ist Corona so weit weg, dass der Gesundheitstourismus in Impflingen kränkelt. Deshalb hat die Gemeinde den Themenpark „Corona-Diktatur“ entwickelt. Impfgegner können in dieser Real-World-Simulation erleben, was nie eingetreten ist: Wer ohne Impfung erwischt wird, muss flüchten, sonst wird er an die Wand gestellt – an die Wand der Verlierer. Gastronomen verstecken Mikrochips im Essen, die man finden und gegen Armbinden eintauschen kann; im Ortsbild erschrecken Aufsteller von Bill Gates die Besucher.

Wer nach drei Tagen noch „lebt“, darf seinen BRD-GmbH-Pass abgeben und dem „Königreich Impflingen“ als Untertan ewige Treue schwören. Da bleibe ich doch lieber beim wahren Urlaub in der Großstadt. Paranoide Quartalsirre kann ich in Berlin genauso gut erleben.

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