Bremer Ex-Senatorin ins Ministerium: Schleudersitz für Anja Stahmann

Die ehemalige Sozialsenatorin übernimmt den Posten der Staatssekretärin im Bundesfamilienministerium. In Bremen wurde sie zuletzt kritischer gesehen.

Anja Stahmann bei einer Mitgliederversammlung der Grünen nach der Bürgerschaftswahl 2023

Als Sozialsenatorin stand sie zuletzt in der Kritik, jetzt bekommt sie die schwierige Aufgabe, das Familienministerium zu stützen Foto: Focke Strangmann/dpa

BREMEN taz | Einige Nahtoderfahrungen hat die Kindergrundsicherung schon hinter sich, auch sonst läuft es mäßig im Bundesfamilienministerium von Lisa Paus. Nun soll ein Personalwechsel die Wende bringen: Die bisherige Staatssekretärin Margit Gottstein wird in den vorzeitigen Ruhestand befördert; an ihre Stelle tritt ab Anfang Juli Bremens ehemalige grüne Sozialsenatorin Anja Stahmann.

Gut ein Jahr Pause hatte die seit ihrem Rücktritt nach der Bremenwahl. „Nichts tun, einfach da sein“, das falle ihr schwer, hatte sie im Abschlussinterview mit der taz gesagt. Es scheint gelungen: Facebook zeigt Fotos von Katzen und Cappucinos, Blumen und Schäfchenwolken. „The best part is know“ (sic) steht unter Bildern der beiden Töchter. Auch eine Kunstausstellung mit naiven Cartoons hat Stahmann gemacht.

Nun tauscht sie diese Version des guten Lebens mit dem Posten als Staatssekretärin. Eine Schonzeit im neuen Amt wird es kaum geben. Als höchste Verwaltungsbeamtin der Behörde vertritt sie dort Ministerin Paus und ist verantwortlich für die 900 Mitarbeiter*innen.

Erfahrung in der Leitung einer Behörde bringt Stahmann reichlich mit: Als sie zurücktrat, war sie mit ihren zwölf Jahren im Amt die aktuell dienstälteste Sozialministerin Deutschlands. Sich selbst bescheinigt sie eine gute Personalführung – gut zuhören könne sie. So gelinge es ihr, die Schwarmintelligenz ihrer Mit­ar­bei­te­r*in­nen zu nutzen.

Geflüchtete untergebracht – aber nicht immer gut

In Zeiten enger Haushalte und teils von den Grünen selbst auferlegten Sparzwangs musste sie als Sozialsenatorin oft den Mangel verwalten. Bei den Beliebtheitsrankings der Bremer Se­na­to­r*in­nen schnitt sie trotzdem nie schlecht ab, 2019 etwa gab’s den vierten Platz. Ihren guter Willen, sich für Benachteiligte einzusetzen, ihr emotionales Beteiligtsein, konnte man ihr abnehmen.

Am stärksten geprägt wurde ihre Amtszeit durch die Aufnahme von Geflüchteten. Stolz, so sagte es die Sozialsenatorin 2018 der taz, sei sie, dass jeder immer eine Matratze bekommen habe und ein Dach über dem Kopf. Die größte Kritik bekam sie allerdings ebenfalls für ihr Wirken in diesem Bereich. Die kam erwartbar von rechts, aber immer wieder auch in scharfer Form vom Bremer Flüchtlingsrat: Menschenunwürdig habe die Behörde Geflüchtete untergebracht. Bestehende Einrichtungen wurden in ruhigeren Phasen wieder geschlossen – sodass bei der nächsten Krise wieder Zelte herhalten mussten.

Nachhaltig getrübt wurde Stahmanns Bild als Kümmerin während der Anfangsphase der Pandemie 2020. Allen Warnungen zum Trotz blieben Geflüchtete monatelang in Massenunterkünften. Schließlich kam es zur erwarteten Durchseuchung – auf die Stahmann mit strenger Quarantäne und der Bemerkung reagierte, für Virologen sei dies interessant. Den Rassismusvorwurf wies sie damals brüsk von sich. Lernfähigkeit bewies die Senatorin, als sie dann 2023 eine mehrtägige Konferenz zu institutionellem Rassismus veranstaltete.

Trotzdem schien Stahmann in den letzten Jahren weniger präsent. Nach dem schlechten Abschneiden der Grünen bei der Wahl 2023 kritisierte der ehemalige grüne Fraktionsvorsitzende Matthias Güldner auch Stahmann: Die Sozialsenatorin sei ebenso wie der grüne Finanzsenator Dietmar Strehl in der Legislatur „unsichtbar geblieben“.

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