Gasgewinnung in der Nordsee: Um die Wette bohren

Niederländische und deutsche Umweltorganisationen protestierten gegen eine Bohrplattform nördlich des Wattenmeers. Doch Den Haag gibt nun grünes Licht.

Gruppe von Menschen spaziert im Wattenmeer.

Das Wattenmeer an der Nordsee ist Weltkulturerbe – und Energiespeicher Foto: Joerg Sarbach/ap

AMSTERDAM taz | Die umstrittenen Gasbohrungen im niederländisch-deutschen Grenzgebiet der Nordsee sind einen großen Schritt nähergerückt. Am vergangenen Freitag beschloss das höchste niederländische Verwaltungsgericht in Den Haag, dass der niederländische Energiebetrieb One-Dyas mit seinen Vorbereitungen zur Gasgewinnung fortfahren darf.

Geklagt hatten dagegen mehrere Umweltorganisationen aus beiden Ländern, darunter die Deutsche Umwelthilfe (DUH), Greenpeace und Natuurmonumenten. Unter anderem wegen entstehender Stickstoff-Emissionen und Unterwasserlärm forderten sie, die Anlegung der Bohrinsel auszusetzen und die Umweltlizenzen zurückzuziehen.

Das betroffene Gasfeld liegt etwa 20 Kilometer nördlich der Watteninseln Schiermonnikoog und Borkum. Bereits seit September vergangenen Jahres verhandelt das Gericht in Den Haag die Erlaubnis für die Bohrungen dort. Im April dieses Jahres hatte ein Den Haager Gericht noch Teile der Umweltgenehmigung außer Kraft gesetzt und den Bohrbeginn damit aufgeschoben.

Nachdem One-Dyas mit zusätzlichen Dokumenten die Zweifel im Ministerium beseitigt hatte, erteilte der niederländische Staatssekretär für Bergbau Hans Vijlbrief Ende Mai eine neue Lizenz.

One-Dyas wollte daraufhin seine Bohrinsel bereits Anfang Juni installieren. Greenpeace-Aktivist*innen besetzten dann in einer Protestaktion die Bohrplattform. Sie forderten keine neuen fossilen Energiequellen in der Nordsee zu nutzen. Ein Eilantrag der Umweltorganisationen legte das Vorhaben schließlich in letzter Minute auf Eis. Das höchste Verwaltungsgericht verhängte einen vorläufigen Baustopp bis zum Urteil vom Freitag.

Wirtschaftliche Interessen wiegen schwerer

Das Gericht entschied nun „zum Nachteil von DUH und anderen“. Damit schätzt es die von den Klä­ge­r*in­nen vorgebrachte Schädigung der Natur als weniger schwerwiegend ein. Und bewertet die „betriebswirtschaftlichen Interessen von One-Dyas“ sowie die „Lieferungssicherheit von Erdgas im Winter 2024-2025 zur Überbrückung der niederländischen Energie-Transition“ als übergeordnet.

Das Thema Energiesicherheit ist in den Niederlanden heikel: im Herbst wurde die Gasgewinnung unterhalb der Provinz Groningen eingestellt, nachdem diese jahrelang immer wieder für Erdbeben gesorgt hatte. Dadurch wurde das Land in kurzer Zeit vom Gas-Exporteur zum Importeur. In die gleiche Periode fiel auch der europäische Abschied von russischem Gas als Reaktion auf den Angriff auf die Ukraine.

Schon unter der nun abtretenden Regierung Mark Ruttes war die Nordsee als Fördergebiet vorgesehen. Die neue Rechts-Regierung, die Anfang Juli vereidigt werden soll, will diese laut Koalitionsvertrag „ausweiten“. One-Dyas-Direktor Chris de Ruyter van Steveninck will nun „schnell weitermachen um Ende 2024 das erste Erdgas aus dem Gebiet liefern zu können“.

Ein Greenpeace-Statement kritisiert dagegen „mitten in der Klima-Krise nahe des verletzbaren Wattenmeers nach neuem Gas zu bohren“. Eine Sprecherin der Organisation Natuurmonumenten wies auf ein noch ausstehendes Hauptverfahren hin. „Das Rennen ist noch nicht gelaufen.“

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