Sci-Fi-Film „Mars Express“: Anime-Noir im Weltall

In „Mars Express“ haben Menschen Hologramme als Köpfe. Der Film zwischen Noir und Sci-Fi hält mit den besten Anime mit. Nun erscheint er auf DVD.

Die Detektivin Aline ist vor einer Stadt und vor einem Sonnenuntergang auf der Erde zu sehen.

Die Detektivin Aline trinkt auch mal gerne einen über den Durst Foto: capelight

Das Fell der animierten Katze ist schmutzig geworden, wird abgezogen, kommt gleich in die Wäsche. Darunter ist die Katze ein mechanisches Tier, ein Felin­droid in einer Sci-Fi-Welt, in der Menschliches neben Robotischem, humane neben künstlicher Intelligenz existiert. Doch was ist von einem wie Carlos zu halten, dessen Kopf zwar hologrammmäßig mit etwas luftigem Abstand über dem Restkörper schwebt (beziehungsweise manchmal, bei Updates zum Beispiel, auch nicht)?

Einerseits tun Carlos Holo-Kopf und sein metallner Restkörper gar nicht erst so, als stünde da ein Mensch aus Haut und Organen und Knochen vor uns. Andererseits weiß Carlos selbst, dass er kein Mensch, ja, dass er tot ist. Genauer gesagt: ein robotisches Backup des Carlos, der er mal war. Aber eben, dies alles wissend, zugleich als ghost in the machine, als humaner Datensatz im anderen Körper immer noch ist.

So steht dann auch der neue Carlos menschlich-allzumenschlich und leider vergeblich mit Blumen vor dem Haus der Ex, um die schwer vermisste Tochter zu sehen. Auch das Carlos-Backup ist zur Unterstützung der Kollegin Aline bereit, sich buchstäblich Arme und Beine auszureißen (die lassen sich freilich, zur Not in anderer Farbe, prima ersetzen). Aline und Carlos nämlich gehen als Privatdetektiv-Partner durch Dick und Dünn.

Motive aus „Blade Runner“ und „Ghost in the Shell“

Mit einem Ausflug der beiden zur Erde, zwecks Festnahme einer Android-Hackerin, beginnt die Geschichte, und sie beginnt rasant. Rasant geht sie außerdem weiter, und zwar auf dem Mars. Immer werden die detailreiche Welt des frühen 23. Jahrhunderts und der zusehends komplizierte Noir-Krimiplot gleichzeitig etabliert und erweitert, man kommt, es ist ein intellektuelles Vergnügen, kaum hinterher.

„Mars Express“ (F 2023, Regie: Jérémie Périn). Die DVD ist ab rund 16 Euro im Handel erhältlich.

Auch weil Jérémie Périn in seinem Debütfilm das Wissen um Klassiker wie „Blade Runner“ (und Philip K. Dicks Vorlage „Träumen Androiden von elektrischen Schafen“) oder auch Mamoru Oshiis beziehungsweise Masamune Shirows „Ghost in the Shell“ voraussetzen kann, um deren Motive dann mit Humor und Action und gespaltenen (Robo-)Schädeln zu variieren.

Der Himmel über dem Mars ist künstlich, kann bei Lichtausfall auch einmal flackern. Hacker und Oberhacker wollen die Androiden befreien und/oder umprogrammieren. Aline und Carlos ermitteln in einem Mordfall und AA-Veteranin Aline trinkt sich, ganz im Stile eines männlichen Hardboiled-Detektivs, zwischendurch fast bis zur Bewusstlosigkeit.

Hält locker mit besten Animes mit

Jérémie Périn hat sich mit Serien, animierten Musik-Videos an sein ambitioniertes Spielfilmprojekt herangearbeitet und ist offenbar gut mit dem französischen Schauspieladel vernetzt: Den undurchsichtigen Hauptschurken namens Chris Royjacker spricht im Original Mathieu Amalric, das Diamantwesen Beryl spricht Marthe Keller.

Optisch hält der Film mit den besten Animes locker mit, die Figuren sind dabei vor slickem Zukunftsarchitekturhintergrund händisch individuiert. Auch der Film selbst verdankt sich – wie heute eigentlich alle kommerziellen Animationsprojekte – der Kombination von Rechnerkraft und Menschenfantasie, dem Neben- und Ineinander humaner und künstlicher Intelligenz.

Die komischen Pointen, von denen es nebenbei einige gibt, ergeben sich vor allem, wenn es bei der Perfektion mal wieder hakt: bei ständigen Updates (die zugleich wichtig sind für den Plot), etwa mitten in einer OP. Auch sehr schön: der Sex der Androiden, die dabei nicht ihre Körper verbinden, sondern ihre Maschinenseelen in Resonanzen versetzen. Oder so ähnlich. Man steckt ja nicht drin.

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