kritisch gesehen: bubu mosiashvilis plakatkunst vor der bremer gak: Schöner Wohnen an den Straßen des Kriegs
Früher reichte ein Federstrich, um eine Straße umzubenennen. Aber auch für damalige Verhältnisse ungewöhnlich war die Umbenennungsaktion, die der Künstler Bubu Mosiashvili in Bremen erkundet hat. Sie betraf die Chausseen der Stadt und steckte dann auch die später eingemeindeten Dörfer an.
Angelegt hatte diese 28 Chausseen großteils Napoleon – für die bessere Truppenbewegung. Und 1916 sind dann aus ihnen auf einmal die noch heute im Stadtplan verzeichneten Heerstraßen geworden. Das französische Lehnwort war im Ersten Weltkrieg nicht mehr erwünscht. Und zugleich wollte man so den militaristischen Geist der Anlieger aktivieren. Mosiashvili ist für das Projekt „stories make world, worlds make stories“ nun einerseits diese 28 Routen allesamt selbst abgeschritten, um zu überprüfen: Lässt sich darauf spazieren, oder zwingen sie zum Marschieren? In einem kollektiven Spaziergang kommende Woche lädt er ein, diese Wirkung selbst zu erkunden. Und ein zweitägiger Marschierworkshop von Liz Rech hilft ab Donnerstag, 13. 6., sich auf diesen Kriegspfaden souverän, also auch gegen deren Intention, zu bewegen. Außerdem hat Mosiashvili ein Postkartenset dieser Straßen aufgelegt, das ihre Ausfallstraßentristesse vorzüglich einfängt. Die zentrale Arbeit aber ist eine Posterserie, die vor der Gesellschaft für Aktuelle Kunst (GAK) im Weserburgtunnel gezeigt wird.
Statt auch hier Vollständigkeit anzustreben, hat sich Mosiashvili dafür auf ein besonders prägnantes Beispiel beschränkt: Er hat die Umbenennungsakte der Schwachhauser Chaussee aufgetrieben. Auf die münden zahlreiche im frankophoben Geist nach Städten im Elsass benannte und von fetten Villen gesäumte Straßen. Die Urkunde hat der Künstler auf DIN A1 vergrößert nachgedruckt. Das Dokument enthält wenig mehr als den zweiteiligen Namen der Chaussee in eleganter Kurrentschrift, wobei der zweite Teil dann mit doppeltem, per Lineal gezogenen Strich ungültig gemacht und durch den altsächsischen Ausdruck ersetzt wurde. Den Impuls dieser obrigkeitlichen Intervention nimmt Mosiashvili künstlerisch auf: Er hat alle zwölf gerahmten Reproduktionen mit Fettstift überschrieben. Mal greift er brachial, mal so beiläufig in die Vorlage ein, dass der gegenwärtige Kommentar fast übersehen wird. Mal wählt er akkurate Zeichnungen – eine Garnspule mit Stopfnadel – mal schließen krakelige Großbuchstaben die symbolische Dimension der Bilder auf: „Die Stadt atmet in mir, denn ich bin mit ihrem Wesen verwoben.“
Allen muss ja klar sein, dass der revanchistische Umbenennungsakt auch in unsere Gegenwart noch hineinwirkt. Er prägt sie mit. Nur ist das ein verdrängtes Wissen, das hier die Kunst zur Sprache bringt. Und ganz beiläufig so die tiefsitzenden ideologischen, also unbewussten Motive aufscheinen lässt, die heutige Umbenennungskonflikte befeuern und erbitterte Gegenwehr verursachen. Benno Schirrmeister
Ausstellung Teerhof-Tunnel, noch bis 23. 6.
Marschierworkshop „Schwarmprinzipien“ von Liz Rech, 13. und 20. 6., 16 Uhr
Kollektiver Spaziergang Waller Heerstraße, 22. 6., 15 Uhr. Für die Teilnahme an den Performances ist eine Anmeldung erforderlich unter office@gak-bremen.de
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen