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neues aus neuseeland: reif für die gelobte insel von ANKE RICHTER

Ich bin eine Grantin. Ob Emi- oder Immi-, habe ich noch nicht kapiert, aber ich gehöre zur Kategorie der „Container-Deutschen“. Das sind im Gegensatz zu den „Rucksack-Deutschen“ solche, die mit Hab und Gut ins gelobte Land einwandern. Was in unserem Fall Neuseeland heißt. Dort ist man migrantenfreundlich. Und bikulturell, sprich eingeborenenfreundlich. Und überhaupt recht freundlich. Herzlichst werde ich zu einem 20-Stunden-Kurs für Einwanderer an die Aranui High School eingeladen. Die Schule liegt im Ghetto, auch wenn der Kiwi so ein unfreundliches Wort nicht gern hört. Aranui ist der unbritischste Stadtteil von Christchurch, der britischsten Stadt außerhalb Englands. Dort lebt, wer Maori ist oder sonst wie zu den Ärmsten des angeblich klassenlosen Landes zählt.

Unser Kurs beginnt in einem Hinterzimmer der Schule, blätternde Farbe an den Wänden und alle 30 Minuten eine schrille Glocke. Meine Mit-Migranten sind Sam aus Korea, eine schottische Familie und eine Ägypterin. Meine neue Regierung lässt sich nicht lumpen, wenn es um die Zufriedenheit von Minderheiten geht. Für die sechs Zuhörer stehen doppelt so viele Dozenten bereit. Wir werden mit einem Maori-Spruch begrüßt und sollen alle Fragen beantwortet bekommen, die uns quälen: Stromabrechnung, Tischsitten, Schulwahl, Verkehrsregeln. Letztere haben bei mir akute Dringlichkeit, aber zuerst wird das „Treaty of Waitangi“ drangenommen.

Das Vertragswerk von 1840 wird im Zweivölkerstaat neuerdings wieder respektiert, nachdem die Engländer sich ein gutes Jahrhundert lang nicht um die Abmachung geschert hatten, Land konfiszierten und gern Kinder in der Schule schlugen, falls sie Maori sprachen. Warum der Verweis aufs Treaty sogar in den Kindergärten hängt, will ich wissen. „Damit man zum Beispiel keine Bilder aus Maccaroni klebt.“ Warum verstoßen Nudeln gegen das Treaty? „In der Maori-Kultur wird Essen nicht zweckentfremdet.“ Ethische Grenzen gibt es auch beim Basteln. „Papiermännchen soll man nicht die Köpfe abschneiden. Das verletzt den Glauben der Maori.“ Teepause.

Rakesh Naidoo ist von der Polizei, und die ist für uns Fremde da. Er erklärt uns seine Uniform: „Wir haben gelbe Regenmäntel.“ Wieder muss ich an den Kindergarten denken. Da stellen sich Polizei und Feuerwehr ähnlich vor. Dann sind zwei ältere Damen vom Citizens Advice Bureau dran. Es hapert mit dem Overheadprojektor. Die freiwilligen Helferinnen des Bürgerbüros erläutern, warum ihr Emblem keine Eule mehr ist, sondern ein fischähnliches Wesen. „Eulen sind in der Maori-Kultur ein Symbol für den Tod.“

In der nächsten Stunde soll es um Harakeke gehen – zu Deutsch Flachs und spirituell wichtig für die Maori. Die Dozentin ist eine Engländerin. Die Glocke klingelt. Die Schotten sind auf Haussuche und wollen wissen, in welcher Gegend viel eingebrochen wird, „abgesehen von Aranui natürlich“. Der Koreaner sagt nicht viel. Er hat Angst, sich irgendwo zu bewerben, weil sein Englisch zu schlecht ist. Auf dem Schulhof kommt mir eine Gruppe von Maori-Teenagern in Schottenröcken entgegen. Eines der schuluniformierten Mädchen ist hochschwanger. Kein Flachs.

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